Der Verrat Der Drachen: Roman
Wasser schwankte. Plötzlich schrie sie auf.
»Die, die den Stein gefunden hat, ist bei ihm!«
Paretim erhob sich. »Die, die aus dem Stein geschaffen und vom Stein gezeichnet wurde?«
»Ja!« Fortuse rannte vor Wasser triefend an seine Seite und klammerte sich an ihn. »Ist sie Retterin oder Fluch?«
Paretim zog sie an sich und wiegte sie, starrte über ihren Kopf hinweg Epherin an, der sein Lächeln jetzt verloren hatte und in kampfbereiter Haltung dastand.
»Sie ist beides«, sagte er. »Sie könnte beides sein. Ich weiß es nicht.«
»Sie wurde in den Landen der Alten geboren«, flüsterte Fortuse.
Paretim antwortete nicht. Epherin, der sich am besten auf den Krieg verstand, vibrierte vor Anspannung. Die Alten waren eine Gefahr. Die Alten hatten sie geschaffen. Aber sie hatten ihnen dieses Land versprochen; sie sollten eigentlich nicht eingreifen. Hatten sie dieses Versprechen gebrochen?
»Müssen wir sie töten?«, fragte Epherin.
Paretim schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob wir das können.«
Epherin runzelte die Stirn, und dann versteifte Fortuse sich in Paretims Umarmung und stieß ihn von sich. »Vail?« Sie machte einen Schritt auf den Wald hinter ihnen zu und dann einen Freudensprung vorwärts, als eine dunkle, mächtige Gestalt daraus hervortrat. Paretim beobachtete, wie sie auf ihn zurannte und sich die kräftigen Arme seines zweiten Bruders um den hochgewachseneren, aber zierlicheren Körper seiner Schwester schlangen und sie vom Boden hochhoben, um sie in die Luft zu werfen und aufzufangen, bevor er sie wieder absetzte. Dann sah Vail ihn an, und Paretim spürte die plötzliche Aufwallung, als die Fesseln ihrer Trennung abfielen; endlich waren sie wieder zu viert. Er spürte, wie die Macht, die Vail beitrug, seine Kraft erschloss. Endlich waren sie zusammen; kein Sterblicher konnte sie mehr aufhalten. Es war an der Zeit, den Schöpferstein zurückzuholen.
Alterin kam mit einem Schrei wieder zu sich; sie zitterte entweder vor Hochgefühl oder vor Angst.
»Sie sind vereint!«, schrie sie. »Die Vier sind eins!«
Azoth ließ sie los, und sie sackte mit geschlossenen Augen gegen die Kissen zurück und atmete kaum. Besorgt trat Shaan einen Schritt vor.
Azoths Stimme hielt sie auf. »Also werden sie jetzt zu mir kommen.« Aber es lag keine Furcht in seiner Stimme. Er sah triumphierend drein; das Selbstbewusstsein, das darin begründet lag, dass er den Stein hatte, strahlte von ihm aus.
»Sie werden den hier wollen.« Er sah das Stück Nacht auf seiner Handfläche an.
»Also kannst du ihn nicht hierlassen«, sagte Shaan.
»Sie werden zuerst mich aufsuchen«, sagte er. »Sie haben es darauf abgesehen, mich zu bestrafen.«
»Sie suchen den Stein!«, beharrte Shaan, und er runzelte die Stirn und schloss die Finger darum.
»Siehst du es nicht?«, bedrängte sie ihn. »Wenn du ohne den Stein in den Krieg ziehst, kommen sie vielleicht und stehlen ihn dir, aber wenn du ihn mitnimmst, wird er dich beschützen.«
»Sie würden ihn nicht von hier stehlen«, sagte er, aber sein Tonfall war nicht ganz überzeugt.
»Was macht dich so sicher?« Sie ging zu ihm, wagte es aber nicht, ihn zu berühren, solange er den Stein hielt. »Du musst ihn mitnehmen. Mit dem Stein in der Hand bist du stärker, als wenn du davon getrennt bist, das weißt du. Ich spüre es. Sie dürfen nicht siegen, Azoth!« Seine Augen standen so voller Macht, dass sie sich fragte, wie es ihm gelang, sie zu zügeln. »Fühle es«, flüsterte sie. »Fühle, wie stark du mit ihm bist.«
Er starrte sie an. »Warum bist du so erpicht darauf?«, fragte er.
»Weil es für mich notwendig ist, dass du überlebst. Wenn du scheiterst, stirbt jeder, den ich liebe.« Es war die Wahrheit. Nicht die ganze Wahrheit, wie er dachte, aber es traf teilweise zu. Sabut hatte gesagt, dass Azoth die Vier überleben musste.
Er streckte einen Finger seiner freien Hand aus, und Shaan zwang sich, nicht zurückzuzucken, als er ihr damit über die Wange streichelte. Seine Berührung ließ eine Hitzespur zurück.
»Meinst du das ernst?«, fragte er. »Du willst so sehr, dass ich überlebe?«
Shaan nickte, unfähig, zu sprechen. In seinen Augen flackerte Verzweiflung auf, eine uralte Einsamkeit, die sich nach Heilung sehnte. Er wollte ihr glauben.
»Ich werde es in Erwägung ziehen.« Er wandte sich ab, um den Stein in den Kasten zu legen. »Jetzt heile die Seherin«, sagte er und hielt ihr den Rücken zugewandt, »ich weiß doch,
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