Der Verrat Der Drachen: Roman
sich entfaltete; er hielt sie nur für alle Fälle bereit.
Das Gebäude hatte als Scheune und Stallung gedient, allem Anschein nach für Muthus. Boxen waren an der rechten Seite entlang eines großen Futtertrogs aufgereiht; die andere Wand zierten verschiedenste Gerätschaften und Regale mit Werkzeug. In der hinteren linken Ecke befand sich ein kleinerer Raum, der an die höheren Steinwände gebaut war. Er war dunkel und schwer zu erkennen, aber Tallis konnte den Sog einer Präsenz dort spüren.
»Wer da? Gebt Euch zu erkennen!«, rief er. »Ich bin bewaffnet!«
Einen Moment lang herrschte Stille, dann erschien ein Schatten in der offenen Tür des Raums, und Tallis sah das helle Schimmern einer Klinge.
»Warst du das auf dem Drachen?«, fragte ein Mann.
»Wer bist du?« Tallis rührte sich nicht. »Komm heraus.« Sein Herz hämmerte, während er wartete.
Der Mann trat aus den Schatten hervor. Er war hochgewachsen, fast mager und in ein langärmeliges Hemd, Hosen und eine Lederweste gekleidet. Blut färbte seine linke Seite dunkel, und sein Gesicht und Körper waren schmutz- und schweißbedeckt. »Ich bin Calem, ein Jäger aus Salmut. Bist du Azoths Nachkomme?«
Tallis atmete erleichtert aus. »Bist du der Kundschafter, den Balkis ausgeschickt hat?«
Calem nickte. Er senkte langsam sein Schwert und zuckte vor Schmerz zusammen. »Ich habe dich auf dem Drachen gesehen.« Die Stimme versagte ihm, und er brach plötzlich schwer atmend in die Knie.
Tallis steckte seine Klinge in die Scheide und hockte sich neben ihn.
»Ich bin verletzt«, sagte Calem, und seine Lippen verzogen sich zu einem schiefen, schmerzerfüllten Lächeln. »Aber ich nehme an, das hast du schon erraten.«
»Wie schlimm ist es?« Tallis half ihm auf.
»Schlimm.« Calem schloss kurz die Augen und öffnete sie dann wieder.
»Wie lange bist du schon hier?«, fragte Tallis.
»Ich bin mir nicht sicher; vielleicht seit zwei Tagen.« Er schüttelte den Kopf.
»Ich hole etwas Wasser.« Tallis rannte zu Marathin zurück und hakte sein Bündel von dem Lederriemen los, der an ihrem Kamm befestigt war; dann eilte er wieder hinein.
Die Wunde des Mannes war schwer: ein tiefer, langer Schnitt in seiner Seite, der sich entzündet hatte. Tallis säuberte die Wunde, so gut er konnte, und zerriss sein Hemd zum Wechseln, um es als Verband zu gebrauchen, aber er fragte sich, ob es nicht schon zu spät war.
»Wie hast du mich gerufen?«, fragte er, während er den Stoffstreifen sanft verknotete.
Der Jäger runzelte die Stirn, hustete dann und hielt sich dabei die Wunde. »Aah!«, rief er und schlug mit einem Bein auf den Boden. »Mistding!« Er holte tief Luft. »Wasser, bitte.«
Tallis half ihm, etwas Wasser zu trinken; der Mann sah ihn aus matten Augen an.
»Mir war nicht bewusst, dass ich dich gerufen habe«, sagte er, »aber vielleicht habe ich das getan. Als ich den Glaubenstreuen beigetreten bin, dachte ich kurze Zeit lang, dass ich vielleicht zu den Verführern gehen könnte, aber« – er schüttelte den Kopf – »mein Geist war zu schwach, keine Kontrolle, ich konnte nichts tun, wenn ich nicht wütend war oder verletzt.«
Tallis nickte. »Verletzt, wie jetzt?«
Calem lächelte noch einmal verzweifelt. »Ich schätze, ja.«
»Was ist geschehen?«, fragte Tallis. »Hast du irgendetwas über Azoths Armee herausgefunden?«
»Ein Teil seiner Armee lagert unmittelbar östlich von Falmor«, sagte Calem. »Dort gibt es ein großes Tal, in der Nähe des Randes der Berge; es ist voll von ihnen. Scanorianer, ein paar Alhanti und die Leute, denen sie hier die Dörfer und Höfe niedergebrannt haben – zumindest diejenigen, die sie am Leben gelassen haben, damit sie für sie kämpfen.« Er sah trostlos drein. »Und ein paar der Frauen und Mädchen haben sie auch am Leben gelassen.«
Tallis wusste, was er damit meinte. »Drachen?«, fragte er.
Calem nickte. »Ein paar, aber ich nehme an, die meisten kommen erst noch.«
»Wie viele Krieger?«
»Mindestens dreitausend im Lager, und das ist nur der erste Schwung.« Calem sah grimmig drein. »Ich habe belauscht, wie ihr Alhanti-General mit einem anderen sprach, den er zurückschickte. Durch die Berge kommen weitere fünftausend Scanorianer, die jetzt bald eintreffen sollen – vielleicht sind sie mittlerweile schon da –, und Azoth bringt weitere mit, und die Drachen.«
Tallis war übel. »Wie viele noch?«
»Zweitausend, was weiß ich.« Calem schüttelte den Kopf und schloss die Augen. »Und
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