Der Verrat: Thriller (German Edition)
nickte. »Das ist uns klar. Und ich werde Ihnen bald einige Fragen dazu stellen. Aber im Moment sehe ich es als Priorität an, den Alarm zu starten. Erstens, wie heißt der Junge?«
»Jimmy Joshu Higgins.« Sie sah zu, wie Vivian das eingab. »Joshu, ohne ›a‹ am Ende. Nach seinem Vater. Er war DJ.« Stephanie gelang es nicht, einen leicht verächtlichen Tonfall zu unterdrücken.
»Sie halten nicht viel von seinem Vater?«
»Nein.« Dazu gab es mehr zu sagen, aber das konnte warten.
»Okay. Wie groß ist Jimmy?«
»Ungefähr 1,07 m. Ziemlich schlaksig und dünn. Für einen Fünfjährigen wiegt er nicht viel. Nicht ganz drei Stone.« Als sie sah, dass Vivian die Stirn runzelte, fügte sie hinzu: »Etwa 19 Kilogramm.«
»Danke. Wir werden eine Beschreibung brauchen, die wir mit einem Foto von Jimmy veröffentlichen können.«
»Er hat dichtes, schwarzes Haar, ziemlich zottelig geschnitten. Haben Sie mal Das Dschungelbuch gesehen?«
Vivian schaute sie an, als sei sie übergeschnappt. »Nein. Ist das ein Film?«
»Ein Zeichentrickfilm. Der Junge in dem Film heißt Mogli. Jimmy sieht ungefähr so aus wie er. Der gleiche Haarschnitt und so ein ähnliches keckes Gesicht. Ich weiß nicht, wie ich ihn sonst beschreiben soll. Googeln Sie Mogli, dann werden Sie sehen, was ich meine.« Frustriert, dass sie nicht fähig war, ein Bild von Jimmy zu vermitteln, dachte Stephanie einen Moment nach. »Haben Sie nicht seinen Pass? Er war im gleichen Behälter wie meiner.«
Vivian wandte sich an Lopez. »Haben wir den, Lia?«
Lopez schüttelte den Kopf. »Nein, Ma’am. Nur Ms Harkers Pass. Von dem Jungen war nichts in dem Behälter. Ich schau noch mal nach, aber …« Sie ging in die Hocke und begann in den Plastikbehältern zu suchen.
»Und sein Rucksack?«, fragte Stephanie.
»Der Mann, mit dem er weggegangen ist, hat den Rucksack. Er muss sich auch den Pass gegriffen haben.«
»Hier ist nichts«, berichtete Lopez.
»Scheiße«, fluchte Stephanie. Dann hellte sich ihre Miene auf. »Mein Handy. Ich habe letzte Woche im Park ein paar Fotos von ihm gemacht. Würde das helfen? Mein Handy ist in der Wanne, oder?«
Lopez erhob sich und hielt das Handy hoch. »Hier ist es.« Sie schaute Vivian fragend an, was sie tun sollte. »Geht es in Ordnung, ihr das Handy zu geben?«
»Geben Sie es mir.« Vivian rief schnell die gespeicherten Fotos auf und drückte den Knopf für das letzte Bild. Ein Mann in einem Jeanshemd saß auf einem hohen Hocker, über eine National-Gitarre gebeugt. Das Haar verdeckte den größten Teil seines Gesichts. Jimmy Higgins war das offensichtlich nicht.
»Ein Freund von mir«, erklärte Stephanie. »Gehen Sie ein bisschen weiter zurück.«
Noch ein Schnappschuss von dem Gitarrenspieler, diesmal hatte er den Kopf zurückgeworfen, die Sehnen an Armen und Hals zeichneten sich ab. Dann lächelte ein kleiner Junge in die Kamera, sein Arm zeigte mit einer ausladenden Geste auf eine Schar Enten, die neben ihm herumwatschelten. »Das ist er. Wir haben die Enten gefüttert.« Stephanies Stimme zitterte, und brennend traten ihr die Tränen in die Augen. »Er ist ja noch so klein. Wir müssen ihn finden, bevor ihm etwas Schlimmes zustößt. Bitte.«
5
S tephanie war nicht sicher, wie die Zuständigkeiten zwischen dem FBI und der TSA, also der Flughafensicherheit, geregelt waren. Aber jetzt, da Vivian McKuras den Fall übernommen hatte, verbesserte sich die Situation eindeutig. Vivian war gegangen, hatte jedoch versprochen, sobald der Alarm eingerichtet sei, werde sie zurückkommen. Dafür hatte Stephanie zugestimmt, sich von Lopez in der vom TSA akzeptierten Weise abtasten zu lassen, was auf jeden Fall eher einem sexuellen Übergriff ähnelte als einem Sicherheitscheck. Lopez gab sich große Mühe, ihr den gebührenden Abstand und ihre Würde zu lassen, aber es war anstrengend.
»Es ist nicht so einfach, wenn Sie die Person, die Sie durchsuchen, kennengelernt haben, oder?«, fragte Stephanie und bemühte sich, nicht zusammenzuzucken, als sich eine Hand in ihren Hosenbund schob.
»Es dient Ihrer eigenen Sicherheit«, antwortete Lopez. »Sie wären ziemlich unzufrieden, wenn Sie während des Fluges in die Luft gejagt würden, weil ich meine Arbeit nicht richtig gemacht hätte.«
»Sie kommen mir viel zu intelligent vor für diesen Schwachsinn.«
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«, bot Lopez an, trat zurück und zog die blauen Nitrilhandschuhe aus.
Es war lächerlich, dass ihr als Reaktion auf eine so
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