Der Verrat: Thriller (German Edition)
klingelte. Bevor ich etwas sagen konnte, war die Stimme am anderen Ende schon mitten im Gespräch. »Stephie, mein Schatz, ich hab einen fabelhaften Auftrag für dich, wart nur, ich erklär’s dir gleich. Aber wie geht’s dir denn, Herzchen?« Meine Agentin, Maggie Silver. Unbezähmbar, unwiderstehlich und unentbehrlich. Und sie sprach quasi immer in Kursivschrift. In dem Geschäft ist niemand besser als Maggie. Oder zumindest weiß sich niemand so gut Gehör zu verschaffen. Schon allein beim Klang ihrer Stimme hob sich meine Stimmung.
»Ich bin bereit für einen fabelhaften neuen Auftrag«, antwortete ich. Mir selbst war bewusst, wie belustigt ich klang.
»Perfekt. Weil ich nämlich genau das Richtige habe. Man hat ausdrücklich dich verlangt. Kein Gedöns mit Ausschreibung oder so was. Der Verlag ist überzeugt, dass du genau die Richtige bist.«
»Wer ist es denn?« Popstar? Schauspielerin? Politiker? Sportler? Hab ich ja alle schon gemacht. Wenn die Leute von meinem Beruf erfahren, fragen sie immer, für wen ich geschrieben habe und welche Kategorie mir am besten gefällt. In Wahrheit habe ich gar keine Lieblingsbranche. Bei denen, die berühmt geworden sind, gibt es nicht viele Unterscheidungskriterien. Wenn man die oberflächlichen Unterschiede abstreift, sind die hochfahrenden Ansprüche der meisten ziemlich gleich. Aber dem Publikum das zu verraten ist nicht meine Aufgabe. Meine Rolle im Leben meiner Stars ist, sie als interessant, liebenswürdig und begehrenswert darzustellen. Sie nennen mich Ghostwriterin, aber ich sehe mich eher als gute Fee, die ihren Zauberstab über ihrem Leben schwingt, um eine Geschichte voller glänzender Leistungen zu erzählen.
»Du kennst doch Goldfish Bowl? «
Ich stöhnte unwillkürlich. Reality-TV. So weit waren wir jetzt schon? Ich hatte gerade einen ehemaligen Minister der Torys in einen flotten, intellektuell ernstzunehmenden Helden verwandelt. Und jetzt sollte mein Lohn ein Niemand aus einer Kleinstadt sein, dessen Ruhm nach fünfzehn Minuten vorüber sein würde. Ein Bestseller für einen Monat, dann direkt auf den Ramschtisch. »Meine Güte, Maggie«, war alles, was ich herausbrachte.
»Nein, hör zu, Schatz, es ist nicht so, wie du denkst. Wirklich, es ist eine tolle Geschichte. Es ist Scarlett Higgins. Du musst von ihr gehört haben.«
Natürlich hatte ich von Scarlett Higgins gehört. Sogar Richter vom High Court und Obdachlose hatten von Scarlett Higgins gehört. Und ich will mich nicht selbst loben, aber ich habe schon den Finger am Puls des Zeitgeists. Das ist einer der Gründe für meinen Erfolg. Ich habe Sinn für die Popkultur und kann das aufgreifen, was die Leute sich von ihren Promis wünschen. Ja, ich weiß, wie Scarlett Higgins in der Öffentlichkeit gesehen wird. Boulevardblätter hatten ihr den Namen Scarlett Harlot, Scarlett, die Hure, gegeben. Nicht weil sie nach den Maßstäben der Klatschzeitungen besonders häufig den Partner wechselte, sondern weil es sich reimte und weil die Leute bequem sind.
»Was gibt es da zu erzählen? Hat sie nicht schon alles in der Regenbogenpresse und den Klatschblättern ausgeplaudert?«
»Sie erwartet ein Kind, Süße.«
»Auch das ist keine Neuigkeit, Maggie. Die Schwangerschaft hat sie doch nach der Katastrophe der zweiten Staffel vor dem Lynchtod gerettet.«
»Ihr Agent hatte die Idee, eine Autobiographie in Form eines Briefs an das Baby zu schreiben, in dem Scarlett die Tragödie ihrer eigenen Kindheit und ihrer Fehler enthüllt. Sie hat es Stellar Books vorgeschlagen, und dort war man absolut begeistert von der Idee. Und dafür wollen sie natürlich dich haben. Biba hat das Maya-Gorecka-Buch, das du für sie gemacht hast, sehr gut gefallen, und sie ist absolut überzeugt, dass Scarlett dich mögen wird.«
Manchmal ging man fast in Maggies Enthusiasmus unter, wenn man ihr zuhörte. »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich kann mich nicht so begeistern für jemanden, der schon so viel in Umlauf gebracht hat, und dabei war so wenig dahinter.«
»Schätzchen, das Honorar ist toll. Und, ehrlich gesagt, im Moment ist nicht viel anderes in Sicht. Und Fußballer mit Frauen und Freundinnen, das Thema ist out; die meisten grässlichen Rapper und Nominierten für den Mercury Prize haben keinen Unterhaltungswert für Durchschnittsleser, und niemand will etwas über Tony Blairs gefeuerte Minister hören. Ich hab alles abgesucht für dich, aber Scarlett Higgins ist im Moment die einzige Möglichkeit. Wenn du abwarten
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