Der Verrat
StraÃe herum?«, fragte Mae. »Seit wann?«
Jamie hatte keinen Hausarrest bekommen.Annabel hatte angenommen, dass Mae für die ganze Sache verantwortlich gewesen war und Mae hatte sie in dem Glauben gelassen. SchlieÃlich konnten sie wohl kaum irgendjemandem dieWahrheit sagen.
Mae hatte die Schuld auf sich genommen und Jamie wochenlang jedenAbend nachgewunken, wenn er das Haus verlieÃ. Er sagte, er müsse in der Bibliothek lernen. SchlieÃlich standen dieAbschlüsse bevor und bald begannen dieTests.
Sie wusste nicht, warum sie ihm vertraut hatte. Er hatte sie schon früher angelogen.
Erica war ein wenig unsicher, wie Mae es aufnehmen würde, aber sie sagte: »Tim hat ihn hier seit ein paarWochen fast jedenAbend gesehen.«
Ericas FreundTim war in Sebs Gang, die zwar nicht in der StraÃe wohnte, aber gerne in der Burnt House Lane herumhing. Meistens vertrieben sie sich einfach nur die Zeit, aber viel zu viele von ihnen hielten es für lustig, Jamie zu ärgern.
Nach Einbruch der Dunkelheit in der Burnt House Lane herumzulaufen ⦠Jamie ging solche Risiken normalerweise eigentlich nicht ein. Sie hatte ihm immer gesagt, dass er mehr wagen müsste, dass er etwas Spaà haben sollte, und Jamie hatte immer sein schiefes Lächeln aufgesetzt und behauptet, das Mittagessen in der Schulcafeteria sei für ihn schon riskant genug.
Mae dachte an die ganz reale Gefahr, in der Jamie sich vor kaum einem Monat befunden hatte. Sie dachte daran, wie sie ein schwarzes Mal auf der Haut ihres Bruders entdeckt hatte und zwei Fremde ihr erzählt hatten, dass er sterben würde.
Inzwischen konnte sie die Musik aus dem Lagerhaus hören. Sie lockte sie nicht mitVersprechungen von Magie, sondern klang eher wie ein stetiger, beruhigender Herzschlag. Sie wollte sich wieder mit ihren Freundinnen amüsieren, Seb treffen und sehen, was los war. Sie wollte wieder zu einem normalen Leben zurückkehren.
Und das würde sie auch, sobald sie wusste, dass ihr Bruder in Sicherheit war.
»Geht schon mal vor, ich muss nur noch etwas nachsehen.«
Mae war bereits ein paar Schritte gegangen, als sie sich umdrehte und ihre Freundinnen vor dem Licht und der Musik stehen sah, wie sie sie beide mit groÃenAugen anstarrten.
»Du willst etwas nachsehen, mitten in der Nacht in diesem schrägen Stadtteil?«, fragte Rachel.
Sie musste Mae nicht sagen, dass es gefährlich war.Wenn es für sie gefährlich war, dann war es für Jamie doppelt gefährlich, und jede Minute, die sie hier vertrödelte, war eine weitere Minute, in der er tiefer in Schwierigkeiten geraten konnte.
»Du trägst ja nicht mal ein richtiges T -Shirt!Was willst du machen, wenn dich jemand überfällt?Willst du ihn mit deinenTitten blenden?«
»So in etwa«, rief Mae und lief davon.
Mae war nachts schon oft in dieser Gegend gewesen und war mit Jungen aus einem Club gestolpert, die beiTageslicht wesentlich weniger interessant wirkten als zuvor. Doch jetzt war es anders. Die Nachtluft strich ihr mit kalten, scharfen Fingern über die nackten Schultern und ihr ganzer Körper war angespannt. Das Mondlicht warf spinnwebenartige Graffiti an ohnehin bereits beschmierte Mauern und in der Nacht lauerten mögliche Gefahren.
Leute, die es lustig fanden, »Gaz was here« an eineWand zu schreiben, hielten es vielleicht auch für lustig, Jamie wehzutun. Mae stolperte fast, so sehr beeilte sie sich. Konzentriert sah sie sich um und trat dabei, den Boden unter ihren FüÃen nicht beachtend, in eine eklige Pfütze. Eine halb im Schmutzwasser verborgene Plastiktüte klebte an ihren Schnürsenkeln wie ein Ertrinkender. Sie schüttelte den FuÃ, bis sie abfiel und in ihr ölig-wässriges Grab zurücksank.
Dabei hörte sie eine Jungenstimme sagen: »Crawford?« Sie drehte sich um, und als sie schnell die Gasse hinunterlief, schmatzte dasWasser in ihrem Schuh.
Sich in dieser Gegend in dunklen Gassen herumzutreiben , dachte Mae wütend.Was dachte sich Jamie eigentlich dabei?
Sie ärgerte sich immer noch über seine Dummheit, als sie um die Ecke kam und ihn tatsächlich sah: mager, klein, seine blonden Haare nach oben gegelt, wodurch er jedoch auch nicht gröÃer wirkte. Jamie sah immer ein wenig fragil aus, und besonders fragil wirkte er, wenn er mit dem Rücken zurWand zu drei gröÃeren Jungen aufblickte. Die Gasse sah verlassen aus, die Mauern waren
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