Der verruchte Spion
wahr sein konnte.« Sie tätschelte ihm die Hand. »Ich wusste auch, dass du einen guten Grund haben musstest, so zu tun, als wäre es wahr.«
Der Prinzregent nickte ihr zustimmend zu. »Wahrlich, Willie. Einen sehr guten Grund. Aber jetzt dürfen wir uns alle in der Wahrheit sonnen. Es ist erst ein paar Stunden her, dass wir den letzten Mittäter gefasst haben, und es wird bereits daran gearbeitet, dass Euer Ruf wieder hergestellt wird, Reardon. Um die Dinge etwas voranzutreiben, habe ich ein
paar andere prominente Mitglieder der Gesellschaft kontaktiert. Die Geschichte zirkuliert bereits seit dem frühen Nachmittag in der Stadt. Ich muss sagen, die Leute sind ziemlich bestürzt darüber, was Euch angetan wurde, Reardon.«
Nathaniel sah, wie Willa sich zu Myrtle beugte. Er glaubte den Namen »Mrs Trapp« zu hören.
Die Welt würde Bescheid wissen. Nach Georges Ansicht wusste bereits die halbe Gesellschaft davon. Nur von Nathaniels Einschleusung in den Spionagering – nichts über die Royal Four. Die Dinge würden wieder so, wie sie einst waren. Lord Treason ist tot. Es lebe Lord Reardon.
Es war zu spät, um den Respekt seines Vaters wiederzugewinnen. Dieser Verlust würde Nathaniel bis ans Ende seines Lebens schmerzen.
Doch er hatte Willa – und ein Leben mit ihr ohne Schande.
»Nun, ich wage nicht, länger zu bleiben«, sagte George und erhob sich. Willa und Myrtle sprangen ebenfalls aus ihren Sitzen. Nathaniel hatte die ganze Zeit gestanden. »Wenn ich meinen Hintern länger als zehn Minuten in einem Privathaus parke, überfällt mich gleich jeder Depp mit seinem Anliegen.«
Er beugte sich über Willas Hand, dann zog er sie an sich und gab ihre einen Kuss auf die Wange. »Komm mich besuchen, Liebling. Mein Hof könnte ein bisschen mehr Leben vertragen.«
Alle verneigten sich tief, und als sie sich wieder aufrichteten, hatte der Prinz das Zimmer verlassen. Nathaniel folgte George und seinem Gefolge bis zur Tür und beobachtete den Prinzen, wie er eine unscheinbare Kutsche bestieg und davonfuhr.
29. Kapitel
N athaniel kehrte in den Salon zurück. Er war versucht, sich Willa zu schnappen und für eine kleine Privatfeier auf dem Stuhl zurück in die Bibliothek zu tragen. Doch seine amourösen Gedanken waren wie weggeblasen, als er Myrtle herausfordernd vor Victoria stehen sah.
»Du wusstest es die ganze Zeit schon, nicht wahr, Victoria? Du bist nicht im Geringsten überrascht von dem Ganzen.«
»Mach dich nicht lächerlich«, gab Victoria erschüttert zurück. »Natürlich habe ich … also, ich bin … du scheinst aber auch nicht besonders überrascht zu sein.«
Myrtle machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich habe Thaniel und diesen Schurken Liverpool belauscht, deshalb.« Plötzlich kniff sie die Augen zusammen. »Randolph wusste auch Bescheid, nicht wahr?«
»Mach dich nicht lächerlich. Er wusste von nichts.« Victoria reckte das Kinn vor, ihr Gesichtsausdruck war überheblich, aber sie log. Nathaniel wusste es. In seiner Brust begann es zu kribbeln.
Myrtle hob eine Hand. »Victoria, es gibt keinen Grund mehr, die Wahrheit zu verschweigen, es sei denn, du willst absichtlich grausam sein.«
Victoria zischte sie an. »Ich? Grausam? Ich? Hast du überhaupt eine Ahnung, dass nur drei Wochen, nachdem ich in Randolphs hartnäckiges Werben um meine Hand einwilligte, der ältere Bruder meines verstorbenen Mannes verschied und mein Sohn deshalb Lord Reardon wurde? Drei
Wochen!« Sie starrte sie alle an. »Drei lächerliche Wochen trennten mich davon, Lady Reardon zu werden!«
Myrtle schnaubte. »Und das war Randolphs Schuld, oder was?«
»Natürlich!«, gab Victoria schnippisch zurück. »Er beraubte mich der Möglichkeit, ein Grundpfeiler der guten Gesellschaft zu werden. Mit diesem Titel und Nathaniels Geld hätte ich alles bekommen!«
»Armer Randolph«, sagte Willa leise.
»Allerdings«, stimmte Nathaniel ihr zu.
Myrtle hob ihren Gehstock gegen Victoria. »Erzählst du mir gerade, dass du meinen armen Jungen dreißig Jahre lang dafür bestraft hast, dass er dich drei Wochen zu früh heiratete?«
Victoria schaute sich im Raum um. Ganz offensichtlich suchte sie nach Unterstützung. Ihr Blick fiel auf Willa. »Du hältst mich für oberflächlich und ehrgeizig. Ich sehe es an deinem Gesicht. Aber warte nur ab, Lady Reardon.« Die Worte kamen aus ihrem Mund wie Wasser aus einem Staubecken. »Du wirst schon sehr bald erkennen, dass eine Frau nichts ist, dass sie keine Stellung in der Gesellschaft
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