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Der Verschollene

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Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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dazu weder Zeit noch Lust habe. Da Karl und Robinson einerseits den Befehl hatten, das Früh- stück zu holen, andererseits aber keine Möglichkeit es zu erzwingen, antworteten sie auf solche Bemerkungen nicht, sondern blieben still sitzen wie zuvor.
       Ringsherum auf Sesseln und Fußbänkchen, auf und unter den Tischen, ja selbst auf der Erde in einen Winkel zusammengedrängt stand noch das ungewaschene Früh- stücksgeschirr der Mieter. Da waren Kännchen in denen sich noch ein wenig Kaffee oder Milch vorfinden würde, auf manchen Tellerchen gab es noch Überbleibsel von Butter, aus einer umgefallenen großen Blechbüchse war Cakes weit herausgerollt. Es war schon möglich aus dem allen ein Frühstück zusammenzustellen, an dem Brunel- da, wenn sie seinen Ursprung nicht erfuhr, nicht das geringste hätte aussetzen können. Als Karl das bedachte und ein Blick auf die Uhr ihm zeigte, daß sie nun schon eine halbe Stunde hier warteten und Brunelda vielleicht wütete und Delamarche gegen die Dienerschaf aufetz- te, rief gerade die Frau aus einem Husten heraus – wäh- rend dessen sie Karl anstarrte – : „Ihr könnt hier schon sitzen, aber das Frühstück bekommt ihr nicht. Dagegen bekommt ihr in zwei Stunden das Nachtmahl." „Komm Robinson", sagte Karl, „wir werden uns das Frühstück selbst zusammenstellen." „Wie?" rief die Frau mit geneigtem Kopf. „Seien Sie doch bitte vernünf- tig", sagte Karl, „warum wollen Sie uns denn das Früh- stück nicht geben? Nun warten wir schon eine halbe Stunde, das ist lang genug. Man bezahlt Ihnen doch alles und gewiß zahlen wir bessere Preise als alle andern. Daß wir so spät frühstücken ist gewiß für Sie lästig, aber wir sind Ihre Mieter, haben die Gewohnheit spät zu früh- stücken und Sie müssen sich eben auch ein wenig für uns einrichten. Heute wird es Ihnen natürlich wegen der Krankheit Ihres Fräulein Tochter besonders schwer, aber dafür sind wir wieder bereit uns das Frühstück hier aus den Überbleibseln zusammenzustellen, wenn es nicht anders geht und Sie uns kein frisches Essen geben."
    Aber die Frau wollte sich mit niemanden in eine freundschafliche Aussprache einlassen, für diese Mieter schienen ihr auch noch die Überbleibsel des allgemeinen Frühstücks zu gut; aber andererseits hatte sie die Zu- dringlichkeit der zwei Diener schon satt, packte deshalb eine Tasse und stieß sie Robinson gegen den Leib, der erst nach einem Weilchen mit wehleidigem Gesicht be- griff, daß er die Tasse halten sollte, um das Essen, das die Frau aussuchen wollte in Empfang zu nehmen. Sie belud nun die Tasse in größter Eile zwar mit einer Menge von Dingen, aber das Ganze sah eher wie ein Haufen schmutzigen Geschirrs, nicht wie ein eben zu servieren- des Frühstück aus. Noch während die Frau sie hinaus- drängte und sie gebückt als fürchteten sie Schimpfwörter oder Stöße zur Türe eilten, nahm Karl die Tasse Robin- son aus den Händen, denn bei Robinson schien sie ihm nicht genug sicher.
    Auf dem Gang setzte sich Karl, nachdem sie weit ge- nug von der Tür der Vermieterin waren, mit der Tasse auf den Boden, um vor allem die Tasse zu reinigen, die zusammengehörigen Dinge zu sammeln, also die Milch zusammenzugießen, die verschiedenen Butterüberbleib- sel auf einen Teller zu kratzen, dann alle Anzeichen des Gebrauches zu beseitigen, also die Messer und Löffel zu reinigen, die angebissenen Brötchen geradezuschneiden und so dem ganzen ein besseres Ansehen zu geben. Ro- binson hielt diese Arbeit für unnötig und behauptete, das Frühstück hätte schon of noch viel ärger ausgesehn, aber Karl ließ sich durch ihn nicht abhalten und war noch froh, daß sich Robinson mit seinen schmutzigen Fingern an der Arbeit nicht beteiligen wollte. Um ihn in Ruhe zu halten, hatte ihm Karl gleich, allerdings ein für alle mal, wie er ihm dabei sagte, einige Cakes und den dicken Bodensatz eines früher mit Chokolade gefüllten Töpfchens zugewiesen.
       Als sie vor ihre Wohnung kamen und Robinson ohne weiters die Hand an die Klinke legte, hielt ihn Karl zu- rück, da es doch nicht sicher war, ob sie eintreten durf- ten. „Aber ja", sagte Robinson, „jetzt frisiert er sie ja nur." Und tatsächlich saß in dem noch immer ungelüfe- ten und verhängten Zimmer Brunelda mit weit auseinan- dergestellten Beinen im Lehnstuhl und Delamarche, der hinter ihr stand, kämmte mit tief herabgebeugtem Ge- sicht ihr kurzes wahrscheinlich sehr verfitztes Haar. Brunelda trug wieder

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