Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
der Wohnung einen Stall machen. Nimm sie beim Kragen Delamarche, wenn sie nicht auf- hören! Aber sie arbeiten ja noch immer, gerade ist eine Schachtel gefallen. Sie sollen sie nicht mehr aufeben, alles liegen lassen und aus dem Zimmer heraus! Riegel hinter ihnen die Tür zu und komm zu mir. Ich liege ja schon viel zu lange im Wasser, die Beine habe ich schon ganz kalt."
       „Gleich Brunelda gleich", rief Delamarche und eilte mit Karl und Robinson zur Tür. Ehe er sie aber entließ, gab er ihnen den Aufrag das Frühstück zu holen und womöglich von jemandem ein gutes Parfüm für Brunel- da auszuborgen.
       „Das ist eine Unordnung und ein Schmutz bei Euch", sagte Karl draußen auf dem Gang, „gleich wie wir mit dem Frühstück zurückkommen, müssen wir zu ordnen anfangen."
    „Wenn ich nur nicht so leidend wäre", sagte Robin- son. „Und diese Behandlung!" Gewiß kränkte sich Ro- binson darüber, daß Brunelda zwischen ihm, der sie doch schon monatelang bediente und Karl, der erst ge- stern eingetreten war, nicht den geringsten Unterschied machte. Aber er verdiente es nicht besser und Karl sagte: Du mußt Dich ein wenig zusammennehmen." Um ihn aber nicht gänzlich seiner Verzweiflung zu überlassen, fügte er hinzu: „Es wird ja nur eine einmalige Arbeit sein. Ich werde Dir hinter den Kästen ein Lager machen, und wenn nur einmal alles ein wenig geordnet ist, wirst Du dort den ganzen Tag liegen können, Dich um gar nichts kümmern müssen und sehr bald gesund werden." „Jetzt siehst Du es also selbst ein wie es mit mir steht", sagte Robinson und wandte das Gesicht von Karl ab, um mit sich und seinem Leid allein zu sein. „Aber werden sie mich denn jemals ruhig liegen lassen?" „Wenn Du willst, werde ich darüber selbst mit Dela- marche und Brunelda reden."
    „Nimmt denn Brunelda irgend eine Rücksicht?" rief Robinson aus und stieß, ohne daß er Karl darauf vorbe- reitet hätte, mit der Faust eine Tür auf, zu der sie eben gekommen waren.
    Sie traten in eine Küche ein, von deren Herd, der repa-
    raturbedürfig schien, geradezu schwarze Wölkchen auf- stiegen. Vor der Herdtüre kniete eine der Frauen, die Karl gestern auf dem Korridor gesehen hatte und legte mit den bloßen Händen große Kohlenstücke in das Feuer, das sie nach allen Richtungen hin prüfe. Da- bei seufzte sie in ihrer für eine alte Frau unbequemen knieenden Stellung.
       „Natürlich, da kommt auch noch diese Plage", sagte sie beim Anblick Robinsons, erhob sich mühselig, die Hand auf der Kohlenkiste, und schloß die Herdtüre, deren Griff sie mit ihrer Schürze umwickelt hatte. „Jetzt um vier Uhr nachmittags" – Karl staunte die Küchenuhr an – „müßt ihr noch frühstücken? Bande!"
       „Setzt Euch", sagte sie dann, „und wartet bis ich für Euch Zeit habe."
       Robinson zog Karl auf ein Bänkchen in der Nähe der Türe nieder und flüsterte ihm zu: „Wir müssen ihr fol- gen. Wir sind nämlich von ihr abhängig. Wir haben un- ser Zimmer von ihr gemietet und sie kann uns natürlich jeden Augenblick kündigen. Aber wir können doch nicht die Wohnung wechseln, wie sollen wir denn wie- der alle die Sachen wegschaffen und vor allem ist doch Brunelda nicht transportabel."
       „Und hier auf dem Gang ist kein anderes Zimmer zu bekommen?" fragte Karl.
       „Es nimmt uns ja niemand auf", antwortete Robin- son, „im ganzen Haus nimmt uns niemand auf."
       So saßen sie still auf ihrem Bänkchen und warteten. Die Frau lief immerfort zwischen zwei Tischen, einem Waschbottich und dem Herd hin und her. Aus ihren Ausrufen erfuhr man, daß ihre Tochter unwohl war und sie deshalb alle Arbeit, nämlich die Bedienung und Ver- pflegung von dreißig Mietern allein besorgen mußte. Nun war noch überdies der Ofen schadhaf, das Essen wollte nicht fertig werden, in zwei riesigen Töpfen wur- de eine dicke Suppe gekocht und wie of die Frau auch sie mit Schöpflöffeln untersuchte und aus der Höhe her- abfließen ließ, die Suppe wollte nicht gelingen, es mußte wohl das schlechte Feuer daran schuld sein und so setzte sie sich vor der Herdtüre fast auf den Boden und arbeite- te mit dem Schürhaken in der glühenden Kohle herum. Der Rauch von dem die Küche erfüllt war, reizte sie zum Husten der sich manchmal so verstärkte, daß sie nach einem Stuhl griff und minutenlang nichts anderes tat als hustete. Öfers machte sie die Bemerkung, daß sie das Frühstück heute überhaupt nicht mehr liefern wer- de, weil sie

Weitere Kostenlose Bücher