Der Verschollene
daß Brunelda nach dem Bade immer noch eine Stunde ruht? Elende Mißwirtschaf! Wartet bis ich über Euch komme. Robinson, Du träumst wahrscheinlich schon wieder. Dich, Dich allein mache ich für alles verantwortlich was geschieht. Du hast den Jungen im Zaum zu halten, hier wird nicht nach seinem Kopf gewirtschafet. Wenn man etwas will kann man nichts von Euch bekommen, wenn nichts zu tun ist, seid Ihr fleißig. Verkriecht Euch ir- gendwohin und wartet, bis man Euch braucht."
Aber gleich war alles vergessen, denn Brunelda flü- sterte ganz müde, als werde sie von dem heißen Wasser überflutet: „Das Parfüm! Bringt das Parfüm!" „Das Par- füm!" schrie Delamarche. „Rührt Euch." Ja aber wo war das Parfüm? Karl sah Robinson an, Robinson sah Karl an. Karl merkte, daß er hier alles allein in die Hand nehmen müsse, Robinson hatte keine Ahnung wo das Parfüm war, er legte sich einfach auf den Boden, fuhr immerfort mit beiden Armen unter dem Kanapee her- um, beförderte aber nichts anderes als Knäuel von Staub und Frauenhaaren heraus. Karl eilte zuerst zum Wasch- tisch, der gleich bei der Türe stand, aber in seinen Schubladen fanden sich nur alte englische Romane, Zeit- schrifen und Noten vor und alles war so überfüllt, daß man die Schubladen nicht schließen konnte, wenn man sie einmal aufgemacht hatte. „Das Parfüm", seufzte un- terdessen Brunelda. „Wie lange das dauert! Ob ich heute noch mein Parfüm bekomme!" Bei dieser Ungeduld Bruneldas durfe natürlich Karl nirgends gründlich su- chen, er mußte sich auf den oberflächlichen ersten Ein- druck verlassen. Im Waschkasten war die Flasche nicht, auf dem Waschkasten standen überhaupt nur alte Fläsch- chen mit Medizinen und Salben, alles andere war jeden- falls schon in den Waschraum getragen worden. Viel- leicht war die Flasche in der Schublade des Eßtisches. Auf dem Weg zum Eßtisch aber – Karl dachte nur an das Parfüm, sonst an nichts – stieß er hefig mit Robinson zusammen, der das Suchen unter dem Kanapee endlich aufgegeben hatte und in einer aufdämmernden Ahnung vom Standort des Parfüms wie blind Karl entgegenlief. Man hörte deutlich das Zusammenschlagen der Kopfe, Karl blieb stumm, Robinson hielt zwar im Lauf nicht ein, schrie aber um sich den Schmerz zu erleichtern, andauernd und übertrieben laut.
„Statt das Parfüm zu suchen, kämpfen sie", sagte Bru-
nelda. „Ich werde krank von dieser Wirtschaf, Dela- marche, und werde ganz gewiß in Deinen Armen ster- ben. Ich muß das Parfüm haben", rief sie dann sich auf- raffend, „ich muß es unbedingt haben. Ich gehe nicht früher aus der Wanne ehe man es mir bringt und müßte ich hier bis Abend bleiben." Und sie schlug mit der Faust ins Wasser, man hörte es aufspritzen.
Aber auch in der Schublade des Eßtisches war das Parfüm nicht, zwar waren dort ausschließlich Toiletten- gegenstände Bruneldas wie alte Puderquasten, Schmink- töpfchen, Haarbürsten, Löckchen und viele verfitzte und zusammengeklebte Kleinigkeiten, aber das Parfüm war dort nicht. Und auch Robinson, der noch immer schreiend in einer Ecke von etwa hundert dort aufge- häufen Schachteln und Kassetten, eine nach der andern öffnete und durchkramte, wobei immer die Hälfe des Inhalts, meist Nähzeug und Briefschafen, auf den Bo- den fiel und dort liegen blieb, konnte nichts finden, wie er zeitweise Karl durch Kopfschütteln und Achselzuk- ken anzeigte.
Da sprang Delamarche in Unterkleidung aus dem Waschraum hervor, während man Brunelda krampfaf weinen hörte. Karl und Robinson ließen vom Suchen ab und sahen den Delamarche an, der ganz und gar durch- näßt, auch vom Gesicht und von den Haaren rann ihm das Wasser, ausrief: „Jetzt also fangt gefälligst zu suchen an." „Hier!" befahl er zuerst Karl zu suchen und dann „dort!" dem Robinson. Karl suchte wirklich und über- prüfe auch noch die Plätze, zu denen Robinson schon kommandiert worden war, aber er fand ebensowenig das Parfüm, wie Robinson, der eifriger, als er suchte, seitlich nach Delamarche ausschaute, der soweit der Raum reichte stampfend im Zimmer auf- und abgieng und ge- wiß am liebsten sowohl Karl wie Robinson durchgeprü- gelt hatte.
„Delamarche", rief Brunelda, „komm mich doch we- nigstens abtrocknen. Die zwei finden ja das Parfüm doch nicht und bringen nur alles in Unordnung. Sie sollen sofort mit dem Suchen aufören. Aber gleich! Und alles aus der Hand legen! Und nichts mehr anrühren! Sie möchten wohl aus
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