Der Verschollene
dieser Wanne konnte er die Arme ausbreiten, und ließ die Ströme des lauen, hei- ßen, wieder lauen und endlich eisigen Wassers, nach Be- lieben teilweise oder über die ganze Fläche hin auf sich herab. Wie in dem noch ein wenig fortlaufenden Genüs- se des Schlafes lag er da und fieng besonders gern mit den geschlossenen Augenlidern die letzten einzeln fal- lenden Tropfen auf, die sich dann öffneten und über das Gesicht hinflössen.
In der Reitschule, wo ihn das hoch sich aufauende Automobil des Onkels absetzte, erwartete ihn bereits der Englischprofessor, während Mak ausnahmslos erst später kam. Er konnte aber auch unbesorgt erst später kommen, denn das eigentliche lebendige Reiten fieng erst an, wenn er da war. Bäumten sich nicht die Pferde aus ihrem bisherigen Halbschlaf auf, wenn er eintrat, knallte die Peitsche nicht lauter durch den Raum, er- schienen nicht plötzlich auf der umlaufenden Gallerie einzelne Personen, Zuschauer, Pferdewärter, Reitschüler oder was sie sonst sein mochten? Karl aber nützte die Zeit vor der Ankunf Maks dazu aus, um doch ein wenig wenn auch nur die primitivsten Vorübungen des Reitens zu betreiben. Es war ein langer Mann da, der auf den höchsten Pferderücken mit kaum erhobenem Arm hin- aufreichte und der Karl diesen immer kaum eine Viertel- stunde dauernden Unterricht erteilte. Die Erfolge die Karl hiebei hatte, waren nicht übergroß und er konnte sich viele englische Klagerufe dauernd aneignen, die er während dieses Lernens zu seinem Englischprofessor atemlos ausstieß, der immer am gleichen Türpfosten meist sehr schlafedürfig lehnte. Aber fast alle Unzu- friedenheit mit dem Reiten hörte auf, wenn Mak kam. Der lange Mann wurde weggeschickt und bald hörte man in dem noch immer halbdunklen Saal nichts ande- res, als die Hufe der gallopierenden Pferde und man sah kaum etwas anderes als Maks erhobenen Arm, mit dem er Karl ein Kommando gab. Nach einer halben Stunde solchen wie Schlaf vergehenden Vergnügens, wurde Halt gemacht, Mak war in großer Eile, verabschiedete sich von Karl, klopfe ihm manchmal auf die Wange, wenn er mit seinem Reiten besonders zufrieden gewesen war und verschwand, ohne vor großer Eile mit Karl auch nur gemeinsam durch die Tür herauszugehn. Karl nahm dann den Professor mit ins Automobil und sie fuhren zu ihrer Englischstunde meist auf Umwegen, denn bei der Fahrt durch das Gedränge der großen Straße, die eigentlich direkt von dem Hause des Onkels zur Reitschule führte, wäre zuviel Zeit verloren gegangen. Im übrigen hörte wenigstens diese Begleitung des Eng- lischprofessors bald auf, denn Karl der sich Vorwürfe machte, den müden Mann nutzlos in die Reitschule zu bemühn, zumal die englische Verständigung mit Mak eine sehr einfache war, bat den Onkel den Professor von dieser Pflicht zu entheben. Nach einiger Überlegung gab der Onkel dieser Bitte auch nach.
Verhältnismäßig lange dauerte es, ehe sich der Onkel entschloß, Karl auch nur einen kleinen Einblick in sein Geschäf zu erlauben, trotzdem Karl öfers darum er- sucht hatte. Es war eine Art Kommissions- und Spedi- tionsgeschäfes, wie sie, soweit sich Karl erinnern konn- te, in Europa vielleicht gar nicht zu finden war. Das Geschäf bestand nämlich in einem Zwischenhandel, der aber die Waren nicht etwa von den Producenten zu den Konsumenten oder vielleicht zu den Händlern vermit- telte, sondern welcher die Vermittlung aller Waren und Urprodukte für die großen Fabrikskartelle und zwi- schen ihnen besorgte. Es war daher ein Geschäf, wel- ches in einem Käufe, Lagerungen, Transporte und Ver- käufe riesenhafen Umfangs umfaßte und ganz genaue unauförliche telephonische und telegraphische Verbin- dungen mit den Klienten unterhalten mußte. Der Saal der Telegraphen war nicht kleiner, sondern größer als das Telegraphenamt der Vaterstadt, durch das Karl ein- mal an der Hand eines dort bekannten Mitschülers ge- gangen war. Im Saal der Telephone giengen wohin man schaute die Türen der Telephonzellen auf und zu und das Läuten war sinnverwirrend. Der Onkel öffnete die nächste dieser Türen und man sah dort im sprühenden elektrischen Licht einen Angestellten gleichgültig gegen jedes Geräusch der Türe, den Kopf eingespannt in ein Stahlband, das ihm die Hörmuscheln an die Ohren drückte. Der rechte Arm lag auf einem Tischchen, als wäre er besonders schwer und nur die Finger, welche den Bleistif hielten, zuckten unmenschlich gleichmäßig und rasch. In den Worten,
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