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Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Newyork wohnte, wo er aber allerdings nur die Abende verbrin- gen konnte, denn er war Bankier und sein Beruf hielt ihn in Newyork den ganzen Tag. Karl wurde auch gleich herzlichst eingeladen, auf dieses Landgut herauszukom- men, ein so frischgebackener Amerikaner wie Karl habe ja auch sicher das Bedürfnis sich von Newyork manch- mal zu erholen. Karl bat den Onkel sofort um die Er- laubnis, diese Einladung annehmen zu dürfen und der Onkel gab auch scheinbar freudig diese Erlaubnis, ohne aber ein bestimmtes Datum zu nennen oder auch nur in Erwägung ziehen zu lassen, wie es Karl und Herr Pol- lunder erwartet hatten.
    Aber schon am nächsten Tag wurde Karl in ein Bureau des Onkels beordert – der Onkel hatte zehn verschiede- ne Bureaux allein in diesem Hause – wo er den Onkel und Herrn Pollunder beide ziemlich einsilbig in den Fauteuils liegend antraf. „Herr Pollunder", sagte der Onkel, er war in der Abenddämmerung des Zimmers kaum zu erkennen, „Herr Pollunder ist gekommen, um Dich auf sein Landgut mitzunehmen, wie wir es gestern besprochen haben." „Ich wußte nicht daß es schon heu- te sein sollte", antwortete Karl, „sonst wäre ich schon vorbereitet." „Wenn Du nicht vorbereitet bist, dann verschieben wir vielleicht den Besuch besser für näch- stens", meinte der Onkel. „Was für Vorbereitungen!" rief Herr Pollunder. „Ein junger Mann ist immer vorbe- reitet." „Es ist nicht seinetwegen", sagte der Onkel zu seinem Gaste gewendet, „aber er müßte immerhin noch in sein Zimmer hinaufgehn und Sie wären aufgehalten." „Es ist auch dazu reichlich Zeit", sagte Herr Pollunder, „ich habe auch eine Verzögerung vorbedacht und früher Geschäfsschluß gemacht." „Du siehst", sagte der On- kel, „was für Unannehmlichkeiten Dein Besuch schon jetzt veranlaßt." „Es tut mir leid", sagte Karl, „aber ich werde gleich wieder da sein", und wollte schon weg- springen. „Übereilen Sie sich nicht", sagte Herr Pollun- der. „Sie machen mir nicht die geringsten Unannehm- lichkeiten, dagegen macht mir Ihr Besuch eine reine Freude." „Du versäumst morgen Deine Reitstunde, hast Du sie schon abgesagt?" „Nein", sagte Karl, dieser Be- such, auf den er sich gefreut hatte, fieng an eine Last zu werden, „ich wußte ja nicht – ". „Und trotzdem willst Du wegfahren?" fragte der Onkel weiter. Herr Pollun- der, dieser freundliche Mensch kam zur Hilfe. „Wir werden auf der Fahrt bei der Reitschule halten und die Sache in Ordnung bringen." „Das läßt sich hören", sag- te der Onkel. „Aber Mak wird Dich doch erwarten." „Erwarten wird er mich nicht", sagte Karl, „aber er wird allerdings hinkommen." „Nun also?" sagte der Onkel, als wäre Karls Antwort nicht die geringste Rechtfertigung gewesen. Wieder sagte Herr Pollunder das Entscheidende: „Aber Klara" – sie war Herrn Pol- lunders Tochter – „erwartet ihn auch und schon heute abend und sie hat wohl den Vorzug vor Mak?" „Aller- dings", sagte der Onkel. „Also lauf schon in Dein Zim- mer", und er schlug mehrmals wie ohne Willen gegen die Armlehne des Fauteuils. Karl war schon bei der Tür, als ihn der Onkel noch mit der Frage zurückhielt: „Zur Englischstunde bist Du doch wohl morgen früh wieder hier?" „Aber!" rief Herr Pollunder und drehte sich, so- weit es seine Dicke erlaubte, in seinem Fauteuil vor Er- staunen. „Ja darf er denn nicht wenigstens den morgigen Tag draußen bleiben? Ich brächte ihn dann übermorgen früh wieder zurück." „Das geht auf keinen Fall", erwi- derte der Onkel. „Ich kann sein Studium nicht so in Unordnung kommen lassen. Später bis er in einem an und für sich geregelten Berufsleben sein wird, werde ich ihm sehr gern auch für längere Zeit erlauben, einer so freundlichen und ehrenden Einladung zu folgen." „Was das für Widersprüche sind!" dachte Karl. Herr Pollun- der war traurig geworden. „Für einen Abend und eine Nacht steht es aber wirklich fast nicht dafür." „Das war auch meine Meinung", sagte der Onkel. „Man muß neh- men was man bekommt", sagte Herr Pollunder und lachte schon wieder. „Also ich warte", rief er Karl zu, welcher, da der Onkel nichts mehr sagte, davoneilte. Als er bald reisefertig zurückkehrte, traf er im Bureau nur noch Herrn Pollunder, der Onkel war fortgegangen. Herr Pollunder schüttelte Karl ganz glücklich beide Hände, als wolle er sich so stark als möglich dessen vergewissern, daß Karl nun doch mitfahre. Karl war noch ganz erhitzt von der Eile und schüttelte

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