Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Verschollene

Der Verschollene

Titel: Der Verschollene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
neben sich sagen: „Da ist ja endlich der Herr Jakob." „Ich heiße Roßmann", sagte Karl und faßte die ihm hingereichte Hand eines Mädchens, das er jetzt in Umrissen erkann- te. „Er ist ja nur Jakobs Neffe", sagte Herr Pollunder erklärend, „und heißt selbst Karl Roßmann." „Das än- dert nichts an unserer Freude, ihn hierzuhaben", sagte das Mädchen, dem an Namen nicht viel lag. Trotzdem fragte Karl noch, während er zwischen Herrn Pollunder und dem Mädchen auf das Haus zuschritt: „Sie sind das Fräulein Klara?" „Ja", sagte sie und schon fiel ein wenig unterscheidendes Licht vom Hause her auf ihr Gesicht, das sie ihm zuneigte, „ich wollte mich aber hier in der Finsternis nicht vorstellen." Ja hat sie uns denn am Git- ter erwartet? dachte Karl, der im Gehen allmählich auf- wachte. „Wir haben übrigens noch einen Gast heute abend", sagte Klara. „Nicht möglich!" rief Pollunder ärgerlich. „Herrn Green", sagte Klara. „Wann ist er ge- kommen?" fragte Karl wie in einer Ahnung befangen. „Vor einem Augenblick. Habt Ihr denn sein Automobil nicht vor dem Eueren gehört?" Karl sah zu Pollunder auf, um zu erfahren, wie er die Sache beurteile, aber der hatte die Hände in den Hosentaschen und stampfe bloß etwas stärker im Gehn. „Es nützt nichts nur knapp au- ßerhalb Newyorks zu wohnen, von Störungen bleibt man nicht verschont. Wir werden unsern Wohnsitz un- bedingt noch weiter verlegen müssen. Und sollte ich die halbe Nacht durchfahren müssen ehe ich nachhause komme." Sie blieben an der Freitreppe stehn. „Aber Herr Green war doch schon sehr lange nicht hier", sagte Klara, die offenbar mit ihrem Vater gänzlich einverstan- den war, ihn aber über sich heraus beruhigen wollte. „Warum kommt er dann gerade heute abend", sagte Pol- lunder und die Rede rollte schon wütend über die wul- stige Unterlippe, die als loses schweres Fleisch leicht in große Bewegung kam. „Allerdings!" sagte Klara. „Viel- leicht wird er bald wieder weggehn", bemerkte Karl und staunte selbst über das Einverständnis, in welchem er sich mit diesen noch gestern ihm gänzlich fremden Leu- ten befand. „Oh nein", sagte Klara, „er hat irgend ein großes Geschäf für Papa, dessen Besprechung wahr- scheinlich lange dauern wird, denn er hat mir schon im Spaß gedroht, daß ich wenn ich eine höfliche Hauswirtin sein will, bis zum Morgen werde zuhören müssen." Also auch das noch. Dann bleibt er über Nacht", rief Pollunder, als sei damit endlich das Schlimmste erreicht. Ich hätte wahrhafig Lust", sagte er und wurde freund- licher durch den neuen Gedanken, „ich hätte wahrhafig Lust, Sie Herr Roßmann wieder ins Automobil zu neh- men und zu Ihrem Onkel zurückzubringen. Der heutige Abend ist schon von vornherein gestört und wer weiß wann Sie uns nächstens Ihr Herr Onkel wieder überläßt. Bringe ich Sie aber heute schon wieder zurück, so wird er Sie uns nächstens doch nicht verweigern können." Und er faßte Karl schon bei der Hand, um seinen Plan auszuführen. Aber Karl rührte sich nicht und Klara bat, ihn hierzulassen, denn zumindestens sie und Karl wür- den von Herrn Green nicht im geringsten gestört wer- den können und schließlich merkte auch Pollunder, daß selbst sein Entschluß nicht der festeste war. Über- dies – und dies war vielleicht das Entscheidende – hörte man plötzlich Herrn Green vom obersten Treppenauf- satz in den Garten hinunterrufen: „Wo bleibt ihr denn?" „Kommt", sagte Pollunder und bog auf die Freitreppe ein. Hinter ihm giengen Karl und Klara, die einander jetzt im Licht studierten. „Die roten Lippen die sie hat", sagte sich Karl und dachte an die Lippen des Herrn Pollunder und wie schön sie sich in der Tochter verwan- delt hatten. „Nach dem Nachtmahl", so sagte sie, „wer- den wir wenn es Ihnen recht ist gleich in meine Zimmer gehn, damit wir wenigstens diesen Herrn Green los sind, wenn schon Papa sich mit ihm beschäfigen muß. Und Sie werden dann so freundlich sein mir Klavier vorzu- spielen, denn Papa hat schon erzählt, wie gut Sie das treffen, ich aber bin leider ganz unfähig Musik auszu- üben und rühre mein Klavier nicht an, so sehr ich die Musik eigentlich liebe." Mit dem Vorschlag Klaras war Karl ganz einverstanden, wenn er auch gern Herrn Pol- lunder mit in ihre Gesellschaf hätte ziehen wollen. Vor der riesigen Gestalt Greens – an Pollunders Größe hatte sich Karl eben schon gewöhnt – die sich vor ihnen, wie sie die Stufen hinaufstiegen,

Weitere Kostenlose Bücher