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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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um, und nun zog er das Fläschchen aus der Tasche.
    Ich fotografierte diese Szene ebenfalls. Die zweite Aufnahme machte ich, als Frank das Fläschchen geöffnet hatte und den Inhalt ins Glas goß. Er verkorkte die Flasche nicht, sondern kam auf mich zugestürzt.
    Er blieb lachend neben mir stehen.
    »Na, haben Sie Ihre Aufnahmen?«
    »Ja. Zwei Mörder hab’ ich schon. Jetzt kommt der dritte.«
    »Bekomme ich einen Abzug?« fragte er.
    »Selbstverständlich, Mister Hays.«
    Nun erst verkorkte er die Flasche, klopfte mir auf die Schulter und ging zu den Garderoben.
    Die Tür auf der Bühne öffnete sich wieder, und Glen Morgan kam herein. Er war der einzige, der einen kompletten hellgrauen Anzug trug. Er hatte einen Blumenstrauß in der Hand, schaute sich um und rief laut nach Mabel. Er bekam keine Antwort und schaute sich überall um, wobei er den Whisky auf dem Tisch entdeckte. Nun zog auch er sein Fläschchen aus der Tasche, kippte den Inhalt in das Glas, legte die Blumen auf den Eßtisch in der Ecke und verließ die Bühne durch die Tür.
    Jetzt, von meinem Standpunkt aus betrachtet, kam mir diese Szene recht albern und an den Haaren herbeigezogen vor. Andererseits aber erinnerte ich mich daran, daß mir dies die ersten beiden Male, wo ich nur Zuschauer gewesen war, keineswegs auffiel. Man mußte wahrscheinlich das ganze Stück abrollen sehen, um die satanische Spannung dieser Szene wirklich zu verspüren.
    Glen Morgan, der dritte Mörder, war kaum verschwunden, als die Tür mit einem harten Knall auf flog. Arthur C. Murchison torkelte herein zu seinem großen Auftritt.
    »Mabel!« brüllte er und hielt sich schwankend an der offenen Tür fest. »Verfluchte Sauwirtschaft! Das ganze Haus leer und alle Türen offen! Mabel, verdammt noch mal, wo steckst... wo steckst du denn?«
    Nun kam sie herein, und Murchison warf hinter ihr die Tür krachend ins Schloß.
    Jetzt rollte die große Streitszene ab. Schließlich ergriff Murchison das Glas. Mabel fiel ihm in den Arm.
    Sie flehte ihn an, nichts mehr zu trinken, was ihn nur noch wütender machte. Er hob langsam das Glas.
    »Nicht trinken!« rief Mabel entsetzt. »Nicht, Robert! Es ist Gift für dich!«
    »Was heißt Gift?« fuhr er sie an. »Whisky ist für mich kein Gift. Kümmere dich gefälligst...«
    »Robert!« schrie sie verzweifelt. »Robert! Trink nicht! Es ist Gift drin!«
    Murchison lachte. Es war das irre Gelächter eines wüsten Säufers. Ich konnte deutlich sehen, daß ihm wieder der Schweiß auf der Stirne stand; aber auch mir begann es heiß zu werden. Murchison spielte, daß selbst in mir der Wunsch entstand, ihm den Hals zuzudrücken.
    Er gab Mabel einen Stoß, daß sie zu Boden fiel.
    »Gift!« lallte er, roch an dem Glas und fuhr fort: »Du und Gift! Du bist viel zu feige, mich zu vergiften, und du wirst sehen, wie mich dein Gift belebt!«
    Ich spürte, wie mich jemand am Ärmel zupfte. Es war der Feuerwehrmann.
    »Großartig, was?« flüsterte er mir zu.
    »Ja, unerhört.«
    Murchison setzte das Glas an die Lippen. Ich vergaß meine Kamera und starrte auf Murchison , der schwankend im Zimmer stand. Er schien zu zögern.
    Herrgott, durchfuhr es mich, es war wirklich eine einmalige Gelegenheit, ihn umzubringen! Und wenn — dann wäre es unter meinen Augen geschehen!
    »Was hat er denn?« flüsterte der Mann neben mir. »Sonst... «
    »Was sonst?« fragte ich gespannt.
    »Sonst... er hat’s immer gleich getrunken, auf einen Zug.«
    Wir starrten gebannt auf die Bühne.
    Nun setzte er das Glas wieder an die Lippen, neigte es und zuckte zusammen. Er schien plötzlich leichenblaß zu werden. Seine Hand zitterte so, daß man es deutlich sehen konnte. Ich sah auch, wie seine Lippen sich bewegten, als flüstere er etwas vor sich hin.
    Jetzt, dachte ich, jetzt verliert er tatsächlich die Nerven! Er kann diese Szene nicht mehr spielen — er wird nicht trinken!
    Plötzlich tat er mir leid. Er war ein großer Schauspieler, und ich hatte Angst um ihn. Er würde gleich das ganze Stück schmeißen...
    Aber da beugte er sich weit zurück und ließ den Inhalt des Glases, ohne einmal zu schlucken, in sich hineinlaufen!
    Wir, der Feuerwehrmann und ich, atmeten auf.
    »So echt war er noch nie«, sagte der Mann.
    Murchison setzte das Glas langsam ab. Er sah aus wie ein Mensch, der mit dem Leben abgeschlossen hat. Aber dann schleuderte er das Glas mit einer verächtlichen Geste in eine Zimmerecke, wo es klirrend zerbrach.
    Er torkelte jetzt auf seine Frau zu, die sich

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