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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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drehen. Der Gerichtssaal kam nach vorn.
    Murchison war zufrieden. »Sonst gibt’s während eines Szenenwechsels keinen Applaus und keine Vorhänge. Aber bei mir machen sie eine Ausnahme, weil es mein letzter Auftritt in diesem Stück ist. Ich liebe Stücke, bei denen ich nicht bis zum Schluß bleiben muß.«
    Wir gingen den Gang hinunter zu seiner Garderobe. Während er die Tür öffnete und vor mir eintrat, sagte er:
    »Soll’s der Teufel holen, ich glaube, ich bin wirklich hysterisch. Ich hab’ heut ganz anders gespielt als sonst. Ich bildete mir ein, der Whisky würde anders schmecken. Ich dachte schon, ich könnte nicht weiterspielen. Verrückt, was? Aber ich werde das jetzt jeden Abend so machen — dieses Zögern und Zweifeln — das erhöht die Wirkung, nicht? Haben Sie Aufnahmen gemacht?«
    »Ja, ein paar. Aber meinen Sie, daß ich mir das nun tatsächlich jeden Abend anschauen soll? Eigentlich habe ich heute nur festgestellt, daß ich es keinesfalls verhindern könnte, wenn Ihnen jemand wirklich Gift geben würde.«
    »Sehen Sie, jetzt kapieren Sie auch, wie teuflisch das ist.«
    »Zum Teil schon«, schränkte ich ein, »aber nicht ganz. Mag ja sein, daß Sie bei Ihren Kollegen nicht gerade sehr beliebt sind, das weiß ich nicht und das geht mich auch nichts an. Doch schließlich ist das wirklich kein Grund, Sie umbringen zu wollen. Den wahren Grund kennen Sie, Murchison —Sie wissen, wer zum Mörder werden könnte. Sie wissen, vor wem Sie diese Angst haben.«
    Er verzog sein feistes Gesicht und hob abwehrend die Hände.
    »Jetzt fangen Sie schon wieder davon an!«
    »Ich bin nun mal kein Statist«, sagte ich. »Entweder ich spiele mit, oder ich lasse meine Finger davon. Ich habe meinen Laden seit sieben Jahren und kann mir allerlei vorwerfen — aber keine Indiskretion.«
    Das schien ihn nachdenklich zu machen. Er beobachtete sich im Spiegel, streckte sich selbst die Zunge heraus und nickte.
    »Sie ist belegt«, sagte er. »Vielleicht sollte ich wirklich weniger trinken. Gut, Tonio, wir sprechen darüber. Aber nicht hier. Haben Sie Zeit für mich?«
    »Soviel Sie wollen.«
    »Dann warten Sie in der Kantine auf mich, ich hole Sie dort ab. Wir fahren zu mir, und ich werde Ihnen etwas erzählen. Vielleicht.«
    Ich schlenderte den Gang hinunter und blieb vor der Tür Nummer elf stehen. Es war still dahinter. Die letzte Szene, die Gerichtsszene, lief. Eddie, Frank und Glen waren auf der Bühne.
    In der nächsten Viertelstunde würden die drei hier nicht erscheinen.
    Unbemerkt betrat ich die Garderobe, in der es stockdunkel war. Wurde hier mit Licht gespart?
    Ich fand den Schalter, knipste das Licht an und schaute mich um. Dort auf der Glasplatte über dem linken Waschbecken standen friedlich die drei leeren Fläschchen.
    Ich zog aus jedem den Korken und roch daran. Purer Whisky, und nicht einmal billiger.
    Mehr hatte ich hier nicht zu suchen. Als ich die Garderobe verließ, grinste ich vor mich hin. Nun würden sie also, falls Murchison inzwischen verstorben war, auch noch meine Fingerabdrücke an den Fläschchen finden.
    Nun ging ich in die Kantine. Derselbe Kellner kam auf mich zu, der mich vorher bedient hatte.
    »Sie wünschen, Sir?«
    »Whisky. Aber keinen vergifteten.«
    »Was?« Sein müdes Gesicht nahm einen drohenden Ausdruck an.
    »Whisky, bitte.«
    »Gut. Ich hab’ was anderes verstanden. Ihr Witzbolde von der Presse könnt mir gestohlen bleiben.«
    Woher wußte er, daß ich angeblich von der Presse kam?
    Als ich den Whisky bekam, ertappte ich mich dabei, wie ich ihn ein paar Sekunden im Mund behielt, um festzustellen, ob er nach Gift schmeckte.
    Nach etwa zehn Minuten erschien Murchison , und ich atmete auf. Schließlich gab es ja auch Gifte, die einen Bullen wie ihn nicht sofort umwarfen. Aber er lebte noch ganz beachtlich, ließ sich schwer auf den Stuhl neben mich krachen und schrie nach Whisky.
    »So was von Durst«, stöhnte er. »Wir trinken noch rasch etwas, ehe wir fahren.«
    Er ließ uns Whisky bringen, trank sein Glas in einem Zuge leer und bestellte gleich noch ein zweites.
    »Aber mit Soda«, sagte er. »Ich habe einen ganz trockenen Hals.«
    »Kein Wunder«, lachte ich. »Bei Ihrem Stimmaufwand muß ja alles austrocknen.«
    Ich kaufte eine Flasche Scotch und sagte dem Kellner, er solle sie Eddie, Frank und Glen bringen. Murchison schaute mich fragend an.
    »Honorar für die Aufnahmen«, erklärte ich ihm. »Ich habe mich schon vor ihrem Auftritt mit ihnen unterhalten. Sie glauben,

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