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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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wann sind Sie bei Murchison ?«
    »Diese Frage habe ich schon der Polizei beantwortet, Sir.«
    »Danach habe ich Sie nicht gefragt, James. Seit wann sind Sie bei Murchison ?«
    »Seit zwei Jahren, Sir.«
    »Wie viele Hände würden Sie brauchen, James, um alle Mädchen an den Fingern aufzuzählen, die hier fotografiert worden sind?«
    »Mister Murchison hatte sehr viel Glück bei Frauen«, sagte James, wobei er zum erstenmal den Mund ein wenig verzog, so daß man glaubte, er lächle. Aber das war nur eine optische Täuschung.
    » Murchison war ein freier Bürger der Vereinigten Staaten«, sagte ich. »Er hatte das Recht, Mädchen zu kennen, soviel er wollte. Er hatte auch das Recht, sie in seinem Schlafzimmer zu fotografieren, wenn sie damit einverstanden waren. Er hatte aber nicht das Recht, diese Aufnahmen in den Handel zu bringen. Wer hat ihm dabei geholfen?«
    James deutete ein diskretes Achselzucken an.
    »Ich weiß es nicht, Sir. Ich weiß nichts von Fotos, ich weiß von alldem nichts, was Sie eben sagten. Ich wußte nicht einmal, daß Mister Murchison fotografierte.«
    Ich hob meinen Zeigefinger und drohte ihm:
    »James, James! Ich habe mich geirrt: Sie sind doch kein guter Diener. Ein guter Diener kennt nicht nur sämtliche Geheimnisse seines Herrn, sondern sogar noch ein paar mehr. Wo hat Murchison seine Sammlung von Aktfotos?«
    »Ich kenne keine solche Sammlung, Sir.«
    »Dann müssen wir sie eben suchen«, sagte ich. »Es könnte doch sein, daß seine Erben wenig Verständnis dafür haben. Wer beerbt ihn denn?«
    »Das weiß ich nicht, Sir.«
    »Werden Sie hier bleiben, bis die Welt untergeht?«
    »Nein, Sir. Ich denke, es wird sich schon etwas finden.«
    Ich hätte dieses eiskalte Reptil ganz gern über einem kleinen Feuerchen gehabt, um es zum Schwitzen und Reden zu bringen. Leider mußte ich mir die Erfüllung dieses Wunsches vorläufig noch versagen.
    Ich ging aus dem Schlafzimmer hinaus in die Halle und zählte meine Schritte an der linken Wand entlang. Bei elf stand ich direkt vor dem eingebauten Bücherregal.
    Ich brauchte nur zwei Minuten, bis ich den Mechanismus gefunden hatte, und dann konnte ich den ganzen Bücherschrank wie eine Türe aufziehen. Dahinter war eine schräge Öffnung, in der ganz oben die Kamera hing.
    Es gab, wie ich nun feststellte, zwei Möglichkeiten, den Verschluß zu betätigen: einmal von dem Lichtschalter im Schlafzimmer aus, und zum zweiten von der Halle aus. Die Klingel auf dem Klubtisch war ein Fernauslöser.
    Außerdem konnte man von hier aus durch den Spiegel wie durch eine Glasscheibe das ganze Schlafzimmer überblicken, sobald Licht drin brannte.
    Ich drehte mich zu dem Diener um, der mir mit diskretem Interesse zugeschaut hatte.
    »Na, James, das ist Ihnen wohl alles völlig neu?«
    »Völlig neu, Sir«, sagte James, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Sie sind trotzdem ein Dummkopf, James! Wenn ich Inspektor Bray Bescheid sage, dann brummen Sie so lange, bis Sie Lust bekommen, den Mund aufzutun. Murchison ist tot, James! Es zahlt sich für Sie nicht aus, auf ihn Rücksicht zu nehmen. Überlegen Sie sich das mal, James!«
    Ich kletterte die beiden eingebauten Stufen hinauf und machte mich daran, die Kamera abzumontieren.
    Im ersten Augenblick dachte ich, es sei ein Erdbeben, und das ganze Haus mache einen Ruck nach vorne. Dann aber spürte ich die kräftigen Hände an meinen Beinen, die mich ruckartig von meinem hohen Standpunkt herunterrissen. Ich krachte mit Kopf und Armen irgendwo auf, bekam etwas Weiches zu fassen, und dann schlug ich zu. Die Schläge an den Hals und in die Magengrube, die ich jedoch einfing, überzeugten mich rasch davon, daß gegen Mike Johnson mit Boxen nichts auszurichten war. Zum Glück haben alle diese Dreschmaschinen keine Ahnung von Jiu-Jitsu, und so dauerte es nicht lange, bis ich Mike da hatte, wo ich ihn haben wollte: schön ausgestreckt auf dem Boden.
    Ich hatte das Gefühl, als ob meine Nase und meine Lippen zu einem Rüssel verwachsen waren, dessen Umfang und Länge ständig zunahm.
    James, der Musterdiener, hatte es vorgezogen, der Schlacht nicht persönlich beizuwohnen.
    Mike richtete sich auf, und zum erstenmal sah ich in seinen engstehenden Augen keinen Haß gegen mich.
    »Teufel noch mal«, stöhnte er. »Wie haben Sie denn das gemacht?«
    »Das erkläre ich Ihnen bei Gelegenheit ganz genau«, sagte ich. »Aber was hatten Sie mit mir vor?«
    »Ich wollte Sie da raus haben«, knurrte er und hob das Kinn in Richtung der Öffnung

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