Der versoffene Papagei
in der Wand. »Ich wollte nicht, daß Sie das alles fortschaffen, ehe die Polizei kommt.«
»Die Polizei?«
»Ja«, sagte er finster. »Ich wollte Sie fertigmachen und dann die Polizei rufen. Jetzt weiß ich, vor wem Mister Murchison sich gefürchtet hat. Ich hätte Ihnen schon viel früher den Schädel einschlagen sollen.«
»Ach du liebe Güte!« ächzte ich. »Hat Ihnen denn der liebe Gott überhaupt nur Muskeln gegeben? Ist denn gar nichts in Ihrem Kopf, womit man ein bißchen denken kann?«
»Wieso?« fragte er. »Das ist doch alles verdammt klar, wenigstens jetzt ist mir das klar: Sie haben da Mädchen fotografiert und Mister Murchison erpreßt. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, daß Sie dahinterstecken, sonst hätte er es mir gesagt. Das hätte Ihnen wohl so gepaßt : das alles hier abbauen und dann verschwinden.«
Ich grinste ihn an, während er aufstand.
»Ein Whisky, glaube ich, würde ihnen jetzt guttun.«
»Nein«, sagte er, »ich trinke keinen Alkohol.«
»Okay, Sportsmann. Und was wollen Sie tun, wenn ich mir die Kamera da oben trotzdem hole?«
»Schießen«, sagte er und hatte plötzlich eine ganz beachtliche Pistole in der Hand. Das war nun wieder mal ein Beweis dafür, daß selbst die allerdümmsten Burschen zum Schießen nicht zu dumm sind.
»Bleiben Sie da stehen«, drohte er, »und versuchen Sie nicht noch einmal einen solchen Trick.«
»Wie lange soll ich hier stehenbleiben?«
»Bis die Polizei kommt«, sagte er. »James ist gegangen, um sie anzurufen.«
Ich hatte jedoch absolut keine Lust, den Ortspolizisten von Santa Monica Einblick in meine Arbeit am Fall Murchison zu geben oder ihnen gar die Kamera in die Hände fallen zu lassen.
Mike stand gute drei Meter von mir entfernt. Ich mußte näher an ihn herankommen.
»Mike«, sagte ich, »Sie haben irgendwas mit meinem Magen... ah! — mir ist hundeelend... ich glaube... ich... muß...«
Ich sah, wie ein triumphierendes Lächeln seine wulstigen Lippen verzog, und dann torkelte ich zwei, drei Schritte auf ihn zu und würgte fürchterlich. Ich war nun nahe genug an ihm dran.
Während er mir noch interessiert zuschaute und offenbar nur darauf wartete, daß ich den kostbaren Teppich verunzieren würde, war ich so weit. Blitzschnell erwischte ich seinen Arm mit der Pistole, und dann legte ich ihn mit einem eleganten Kreuzschlag um. Nun hatte ich ihn wieder da, wo ich ihn haben wollte: schön ausgestreckt auf dem Boden.
Ich steckte seine Pistole ein, holte mir die Kamera und verließ das Haus, ohne daß mich irgend jemand daran hinderte.
Ich bog gerade aus dem Garten auf die Zufahrtsstraße, als der Polizeiwagen angeflitzt kam. Ich hielt, sprang aus meinem Wagen und fuchtelte aufgeregt mit den Armen in der Luft herum.
»Gut, daß Sie da sind!« schrie ich. »Sie haben den Kerl festgenommen, aber er hat eine Pistole. Sie müssen vorsichtig sein!«
Der Polizist am Steuer legte zwei Finger an die Mütze, grinste und sagte:
»Okay — den werden wir gleich haben. Vielen Dank!«
Sie brausten weiter.
Es war inzwischen fünfzehn Uhr geworden, und trotz Mikes Schlägen hatte ich in der Magengegend das Gefühl einer schmerzhaften Leere. In einem Schnellrestaurant besorgte ich mir ein paar ‘Hamburger’, die ich während der Fahrt aß.
Da ich hinterher auch noch Durst bekam, hielt ich kurz vor Hollywood nochmals und schüttete zwei Gläser Bier in mich hinein. Nun war ich wieder in Form.
Mein nächstes Ziel war das Haus, in dem Gwendolin Springer wohnte. Es war ein Apartmenthaus in der Waring Avenue, mit elf Stockwerken und zwölf Apartments auf jeder Etage.
Gwen Springer war zu Hause. Sie schien ein Mittagsschläfchen gemacht zu haben und sah noch ein wenig zerknautschter aus als sonst. Über meinen Besuch schien sie sich nicht zu wundern.
»Sie kommen sicherlich wegen May Wilson?«
»Ja. Sie war heute vormittag bei mir. Ich habe mich mit ihr für heute abend verabredet. Sie wissen von der Sache?«
»Ja, ich weiß davon, und ich empfahl ihr, sich an Sie zu wenden. Werden Sie ihr helfen können?«
»Ich weiß noch nicht genau. Wahrscheinlich — ja. Sie wohnt doch hier irgendwo?«
Gwen deutete auf eine Tür schräg gegenüber.
»Ja, dort«, sagte sie. »Wir können ja nachsehen, ob sie da ist.«
Gwen ging mit mir über den Flur und klingelte dreimal kurz und einmal lang.
»Dann weiß sie gleich, daß ich es bin.«
Ich hörte einen Schlüssel im Schloß, und dann sah ich May Wilson vor mir stehen. Sie hatte offenbar
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