Der versoffene Papagei
Er kam nicht mehr dazu. Warum sagten Sie heute nacht , Murchison sei ein Schwein? Und was war mit dem jungen Mädchen?«
Er rauchte eine Weile schweigend, und als er mich anblickte, hing ein Schleier vor seinen hellen Augen.
»Mein Sohn war mit ihr verlobt«, sagte er bedächtig, »das heißt, verlobt ist vielleicht etwas zu viel gesagt. Jedenfalls war er in das Mädel verknallt, und jeder wußte das. Er wollte sie heiraten. Sie hatte beim Film zu tun, und sie verdiente gut. Ich glaube, daß sie Freddy auch ganz gern hatte. Dann wurde sie auf einmal nervös, fahrig, und es gab alle Augenblicke Streit zwischen ihr und Freddy. Plötzlich aber war alles wieder gut, und sie hatte eine ziemlich große Rolle in einem Film bekommen. Sie hatte bisher noch nie eine so gute Rolle. Es war ein Film, bei dem Murchison Regie führte. Und dann bekam ich eines Tages einen Brief. Da stand drin, daß es mir doch sicherlich unangenehm sei, wenn das Mädel meines Sohnes mit einem anderen Mann ins Bett ginge, um Karriere zu machen. Es war ein Bild dabei, eine Fotografie. Der Hund, der diesen Brief geschrieben hatte, bezeichnete sich als einen Freund von mir und machte mir den Vorschlag, das Negativ für zweihundert Dollar zu kaufen.«
Er spuckte durch die Zähne ins Gras, betrachtete die Asche seiner Zigarre, streifte sie mit dem kleinen Finger vorsichtig ab und fuhr fort:
»Ich habe natürlich mit Freddy über diese Sache gesprochen und ihm den Brief und die Fotografie gezeigt. Der Junge ist losgegangen wie ein angeschossener Puma. Zwei Tage später war das Mädel tot. Sie hatte sich Schlaftabletten besorgt.«
Er schwieg wieder und schien auch nichts mehr sagen zu wollen.
»Und was ist weiter in dieser Sache geschehen?« fragte ich. »Haben Sie irgendwas unternommen, um diesem Schmutzkerl das Handwerk zu legen? Und wie kommen Sie auf den Gedanken, daß Murchison damit etwas zu tun hatte?«
Er schaute mich wieder an, und jetzt waren seine hellen Augen wieder so klar und scharf wie zuvor.
»Der Coroner, der sich um die Sache kümmerte, ist ein Freund von mir. Er stellte als Todesursache einen Unfall fest. Isabel hatte bei ihren Eltern gelebt. Sie wäre nicht wieder lebendig geworden, wenn wir den ganzen Schmutz ans Licht gezerrt hätten. Sie denken natürlich anders darüber, nicht wahr?«
Ich nickte langsam.
»Ja, Sheriff«, sagte ich. »Denn nun macht der Bursche natürlich ungestört weiter. Eines seiner Opfer war vorhin bei mir. Sie sagten mir noch nicht, wieso Sie gerade auf Murchison kamen.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Wir hörten hier etwas und hörten dort etwas, wie das eben so ist. Hauptsächlich waren es Kolleginnen von ihr, neidische Kolleginnen, die wußten, daß Isabel bei Murchison gewesen war.«
Ich zog das Foto von Miss Wilson aus der Tasche und gab es ihm.
»War es eins von dieser Sorte?« fragte ich.
Er holte eine verbogene Nickelbrille, die nur einen Bügel hatte, aus der Hosentasche, setzte sie auf und studierte das Foto. Er nickte.
»Ja, so ähnlich war’s. Aber sie saß nicht auf dem Bett, sondern lag drin. Etwas auf der Seite, so daß man alles ganz gut sehen konnte.«
»Und das Bett?« wollte ich wissen. »War es das gleiche Bett?«
Er sah das Foto nochmals flüchtig an, nahm dann die Brille ab und gab es mir zurück.
»Ich denke schon. Ich weiß nicht, ob es das gleiche war, aber es hat genauso ausgesehen.«
»Dieses Bett steht in Murchisons Schlafzimmer«, sagte ich.
Er nickte geistesabwesend vor sich hin, als wolle er damit ausdrücken, daß er das gewußt hatte.
» Wieviel , Mister Veramonte , glauben Sie, daß dieses Schwein im Jahr verdient hat?«
»Sie sind auf einem falschen Weg, Sheriff«, sagte ich. » Murchison hat die Briefe nicht geschrieben und die Mädchen nicht erpreßt.«
»So? Wer denn sonst?«
»Sie vergessen, daß er bei mir war, weil er Angst hatte, ermordet zu werden. Wahrscheinlich ist der Erpresser der gleiche, der ihn nun vergiftet hat. Es muß ein Mann sein, der ihn in der Hand hatte und ihn irgendwie zwingen konnte, diese Fotos zu machen. Ich will damit Murchison nicht reinwaschen, er war ein übles Subjekt, und wahrscheinlich kam ihm die Fotografiererei gar nicht so ungelegen. Aber ich glaube nicht, daß die Erpressungen auf sein Konto gehen. Vielleicht weiß ich morgen schon mehr.«
Eine weiße Ente kam um den Fliederbusch gewatschelt, und als sie den Sheriff entdeckte, rannte sie auf ihn zu. Er holte etwas Brot aus seiner Schürzentasche und warf ihr ein
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