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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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wirklich gedacht, daß es nur Gwen sei; denn als sie mich entdeckte, stieß sie einen Schrei aus und verschwand hinter der Tür. Sie hatte nur etwas sehr Durchsichtiges angehabt.
    Als sie wieder erschien, trug sie eine enge schwarze Hose und eine einfache weiße Hemdbluse.
    »Sie müssen entschuldigen«, sagte sie lachend. »Aber ich dachte... bitte kommen Sie doch herein.«
    »Ich hab’ nicht viel Zeit, Miss Wilson. Höchstens soviel , wie man braucht, um eine Tasse Kaffee zu trinken.«
    Sie ließ mich in ihren Wohnraum eintreten, einem Krampf in Blau: Couch, Sessel, Teppich, Vorhänge — alles war blau wie ihre Augen. Sie selbst war ebenfalls blau.
    Während sie in der kleinen Kochnische Wasser aufsetzte und, nicht ganz sicher auf den Beinen, drei kleine Kaffeetassen auf den runden Tisch stellte, sagte sie:
    »Fein, was? Ich hab’... hab’... einige Male versucht, Sie anzurufen, aber mir wurde... wurde... immer gesagt, Sie wären nicht da, und es sei auch ungewiß , wann Sie wiederkämen. Aber... aber warum — zum Teufel — haben Sie keinen Ton davon gepiepst, daß Sie ihn... totgefahren haben?«
    Sie holte die Mittagszeitung und warf sie vor mir auf den Tisch.
    »Schlimm, was?« Sie gab sich Mühe, ein ernsthaftes Gesicht zu machen. »Sehr schlimm, daß ich froh bin, nicht? Es waren höchstens vier Gläschen, wissen Sie, aber die haben heute... heute so doll gewirkt. Und schade, daß wir heute... heute abend nicht in die >Grüne Eule< gehen, das ist jetzt ja nicht mehr nötig, hm?«
    Ich packte sie am Arm.
    »Erstens«, sagte ich, »wollten wir nicht in die >Grüne Eule<, sondern in den >Blauen Papagei<, und zweitens...«
    »Au!« rief sie. »Haben Sie einen Griff! In den >Blauen Papagei    Ich wartete mit meiner Antwort, bis sie mit dem Kaffeewasser kam.
    »Gar nicht auf diese Tour, May. Murchison ist zwar tot, aber er war es nicht, der diesen Brief schrieb. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß alles so bleibt, wie wir es besprochen haben: um neun Uhr im >Blauen Papagei<. Gwen, könnten Sie ein bißchen aufpassen, daß sie heute abend nicht versucht, in die >Rote Schildkröte< oder zu sonst einem bunten Vieh zu rennen? Sie muß unbedingt hinkommen.«
    Ein wenig hatte sie diese Rede doch erschreckt. Ihre Nase wurde zusehends heller, und sie gab sich große Mühe, alles zu kapieren.
    »Sie müssen mir helfen, May«, beschwor ich sie. »Wir müssen den Kerl unschädlich machen. Kommen Sie heute abend . Ich werde da sein, und Sie müssen so tun, als würden Sie mich nicht kennen. Gehen Sie auf alles ein, was man Ihnen vorschlägt, und spielen Sie mit. Sie brauchen keine Angst zu haben, es kann Ihnen nichts passieren. Ich verbürge mich dafür.«
    Sie nickte nun und versprach zu kommen. Wir tranken noch zusammen eine Tasse Kaffee, und May wurde recht schweigsam. Als ich mit Gwen wieder draußen war, versprach sie mir, auf May aufzupassen und sie rechtzeitig loszuschicken.
    Unten im Haus entdeckte ich ein öffentliches Telefon. Ich rief Vernas Büro an. Es meldete sich aber nicht Verna, sondern ihr Chef. Es kam oft vor, daß Verna unterwegs war, und dann meldete sich immer Mister Jackson selbst.
    »Hallo!« rief ich. »Hier ist Tonio Veramonte . Verna ist wohl nicht da?«
    »Nein«, sagte er, »sie ist nicht da.«
    »Dann sagen Sie ihr bitte, wenn sie kommt, sie möchte auf mich warten. Ich hole sie ab.«
    Ich hörte ihn lachen.
    »Okay, Mister Veramonte —ich würde es ihr sagen, wenn...«
    »Vielen Dank, Mister Jackson.«
    Ich hängte ein. Wenigstens eine Stunde sollte einmal nur Verna und mir gehören.
    Ich fuhr zum Ramona Boulevard und parkte dreißig Minuten später vor dem Bürohaus der Swiss Bank Corporation. Ich zündete mir eine Zigarette an und wartete. Zum Teufel mit Mördern und Erpressern — ich wartete auf Verna!

    Als ich die zweite Zigarette halb geraucht hatte, war es soweit: der Portier öffnete die großen Türflügel, und die Angestellten kamen herausgeströmt.
    Ich stieg aus und ging in der Nähe meines Wagens auf und ab. Die Leute quollen aus dem Bürohaus der Swiss Bank Corporation, als ob drinnen ein Großbrand ausgebrochen wäre. Ich beobachtete, wie sie zu den Parkplätzen hasteten und davonfuhren oder auf die andere Straßenseite zu den Anlagen hinübergingen, um auf den Bus zu warten. Sie lebten alle hastig, aber geregelt. Sie hatten ihren festen Platz,

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