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Der versoffene Papagei

Der versoffene Papagei

Titel: Der versoffene Papagei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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sie hatten jede Woche ihren Scheck, aber sie hatten sicher auch eine unendlich langweilige Arbeit.
    Ich rechnete nach, was ich noch in der Tasche hatte, zählte ein paar Außenstände dazu, von denen ich wußte, daß sie niemals hereinkommen würden, und brachte insgesamt soviel zusammen, daß ich mit gutem Gewissen sagen konnte: mehr verdient der Portier dort drüben auch nicht.
    Der Sturm war vorüber, und nur noch vereinzelt tröpfelten ein paar Leute aus dem Hause: die Eifrigen, die Streber und die, die sich nicht hetzen ließen. Meine Zigarette war zu Ende geraucht; ich trat sie auf dem Boden aus.
    Endlich erschien ein kleiner, rundlicher Mann, der seit Jahren kein Geld mehr für den Friseur zu opfern brauchte. Das war Vernas Chef, Mister Jackson. Ich steuerte auf ihn zu. Sein Gesicht war rund und rot wie eine übergroße Tomate.
    »Hallo, Mister Jackson!« sprach ich ihn an. »Hat Verna noch lange zu tun?«
    »Sie hat gar nichts zu tun«, sagte er und ließ mich die Pracht seiner Goldkronen bewundern. »Wenigstens nicht bei mir. Seit zwei Jahren hat sie jeden Mittwoch ihren freien Tag. Ich wollte Ihnen das vorhin noch sagen, aber Sie haben so plötzlich eingehängt.«
    Natürlich — Mittwoch! Wenn ich so richtig im Dreh war, wußte ich nie, was für ein Tag gerade auf dem Kalender stand.
    »Ich habe Miss Bray aber zu Hause angerufen«, sagte da Jackson, »und ihr ausgerichtet, daß Sie sie hier abholen würden. Sie sagte, sie würde herkommen. Warten Sie nur noch ein bißchen, Mister Veramonte .«
    Er winkte mir mit seiner gepolsterten Patschhand zu, stieg in seinen nagelneuen Chevrolet, der auf dem Direktionsparkplatz stand, und fuhr davon.
    Ich kaufte mir ein Abendblatt und setzte mich in meinen Wagen. Ich hatte mir für heute noch eine ganze Menge vorgenommen und war wütend auf mich, daß ich die kostbare Zeit so verplempern mußte.
    Irgend jemand fuhr von hinten sanft auf meinen Wagen auf. Ich sprang hinaus — es war Verna!
    »Verna, Kindchen!« rief ich. »Ich bin ein Rindvieh!«
    Ihre grauen Augen musterten mich ernsthaft, und um ihre hübschen Lippen spielte nicht das kleinste Lächeln.
    »O Tonio«, sagte sie. »Du sagst das nur so, aber du glaubst es nicht. Ich überlege mir, was ich tun soll, wenn du später einmal vergißt, daß du mit mir verheiratet bist.«
    »Das würde ich nie im Leben vergessen.«
    Ich beugte mich zu ihr in den Wagen hinein und wollte sie küssen, aber sie wich mir aus und zeigte auf die Leute, die vorbeigingen und uns interessiert zuschauten.
    »Die sind in solchen Dingen vom Kino her sehr verwöhnt, Tonio. Fahren wir zu mir nach Hause? Ich habe Apfelkuchen gebacken.«
    Ich ging um ihren Wagen herum und setzte mich neben sie.
    »Hör mal, Kindchen«, sagte ich, »ich würde ein Jahr meines Lebens dafür opfern, bei dir Apfelkuchen essen zu können. Oder sagen wir — ein halbes Jahr. Aber ich stecke mitten in einer dicken Sache drin, und wir müßten zuviel Zeit verfahren. Könnten wir nicht hier in der Nähe irgendwo...?«
    Verna war vierundzwanzig, sah aus wie neunzehn und dachte wie dreißig. Ich hatte noch nie erlebt, daß sie unvernünftig war, wenigstens nicht so, daß ich es merkte.
    Sie seufzte ein bißchen.
    »Ach, Tonio, ich habe den Gedanken an einen ganzen freien Tag mit dir zusammen schon längst auf gegeben, auch an einen halben. Aber es wird immer weniger. Natürlich können wir hier in der Nähe bleiben. Fahren wir zu Sullivan?«
    Ich fuhr hinter ihr her. Bei Sullivan hatte ich einmal allein gesessen und gerade angefangen, eine Eiscreme zu schlecken, da war sie hereingekommen. Da sonst alle Tische besetzt waren, hatte sie sich neben mich gesetzt, und ich hatte ihr prompt meine Eiscreme auf den Schoß geschmissen. So hatten wir uns kennengelernt.
    Wir setzten uns in eine ledergepolsterte Nische, bestellten Kaffee und Kuchen, und dann fragte Verna:
    »Stimmt das, was da in der Zeitung steht? Hast du wirklich einen Zusammenstoß mit Murchison gehabt?«
    »Ja«, sagte ich. »Nur war es ein wenig anders, als es in den Zeitungen steht. Hat dein Vater nicht mit dir darüber gesprochen?«
    Sie schüttelte ihren Kopf mit dem dunklen, kurzgeschnittenen Haar.
    »ich habe Pa seit gestern früh nicht mehr gesehen. Er hat im Augenblick sehr viel zu tun.«
    »Ich weiß, ich bin ja mit drin. Murchison wurde während der Vorstellung vergiftet. Jemand hat ihm Atropin gegeben, und auf der Heimfahrt fing das Gift an zu wirken. Er mußte...«
    »Moment mal«, unterbrach sie mich.

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