Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Rouzé
Vom Netzwerk:
du uns mit Mäusen vergleichen, die in der Falle stecken.“
    „Nun jammre bloß nicht! Das nützt gar nichts. Außerdem habe ich eine großartige Idee. Wie weit, glaubst du, ist es bis da oben?“
    Pierre nahm die Lampe und legte sich auf den Rücken. Es gelang ihm, ganz oben das Loch in der Mauer zu erkennen.
    „Ungefähr acht Meter“, antwortete er. „Es läßt sich in dem Schlund hier schlecht abschätzen.“
    „Acht Meter. Und wenn wir uns übereinanderstellen, alle fünf, wie groß sind wir dann?“
    „Alle fünf?“ fragte Raymond verblüfft.
    Aber Pierre hatte bereits verstanden.
    „Seht mal an, unsere Suzanne! Ich habe doch immer gewußt, daß du ein kluges Mädchen bist!“
    „Danke“, meinte Suzanne geschmeichelt.
    „Und ich“, begehrte Raymond auf, „ich bin also ein Esel?“
    „Nimm’s nicht krumm!“ sagte Suzanne herzlich. „Gewöhnlich hast du die besten Einfälle. Jetzt sind eben einmal wir an der Reihe. Im übrigen werden wir deine Muskeln sehr nötig brauchen. Du bist der Kräftigste, du stehst am Fuß der Pyramide.“
    Jacques klatschte in die Hände.
    „Machen wir eine Pyramide, wie im Zirkus?“
    „Sagen wir lieber: eine Säule“, verbesserte Raymond. Er hatte sich wieder in der Gewalt. Da Suzanne seine Stärke anerkannt hatte, übernahm er aufs neue das Kommando. Es mußten einige Vorbereitungen getroffen werden, um den Gedanken in die Tat umzusetzen.
    „Gebt mir eure Gürtel!“ befahl er.
    Als er alle Gürtel in Händen hatte, schnallte er einen an den anderen und stellte auf diese Weise einen langen Riemen her. Er rollte ihn zusammen und übergab ihn Pierre.
    „Du kletterst als letzter oben auf die Spitze. Wenn du an dem Mauerloch angekommen bist, wirfst du uns das Ende zu und hilfst uns damit zu dir hinauf.“
    „Und du glaubst nicht, daß die Gürtel reißen?“
    „Nein. Sie brauchen ja nicht das Gewicht von uns vieren auszuhalten. Sie sollen nur helfen, daß wir einer nach dem anderen hinauf kommen.“
    „Ich verstehe schon“, sagte Pierre. „Gut, fangen wir an!“ Raymond drückte sich auf dem höchsten Punkt, den er erreichen konnte, flach an den Steilhang und suchte mit Händen und Füßen Halt an dem glatten Gestein. Die Lampe hatte er an seinem Jackenärmel gut befestigt.
    „Jetzt du, Suzanne!“
    Suzanne klammerte sich an ihm fest, kletterte auf seine Schultern und preßte sich über ihm dicht an die Wand. Sie ließ dabei die Arme hängen, um mit dem ganzen Körper so eng wie möglich anzuliegen. Der zweite ,Stein‘ der Säule stand und schien zuverlässig.
    „Jetzt kommt Jacques. Dann Jean. Und Pierre als letzter. So dünn, wie er ist, hat er die besten Chancen.“

    Jacques kletterte an den Körpern von Raymond und Suzanne empor und stellte sich auf seinen Platz.
    Jean klomm über Raymond, Suzanne und Jacques hinauf. Es sah tatsächlich so aus, als vollführten sie eine Zirkusnummer. Nur der Trommelwirbel fehlte, der während der Vorstellung in den gefährlichsten Augenblicken ertönt.
    „Du bist das reine Glühwürmchen mit deiner Lampe“, stellte Pierre fest, als er seinen Anstieg bei Raymond begann.
    Raymond war, nicht zum Spaßen aufgelegt. Es bedurfte seiner ganzen Willenskraft, um sich durch die wachsende Last auf seinen Schultern nicht nach rückwärts drücken zu lassen. Seine Nägel krallten sich in das Schiefergestein der Seitenwände wie die Pfoten einer Katze, die einen Baumstamm erklimmt. Die Lage wurde überaus kritisch. Endlich setzte Pierre die Füße auf Jeans Schultern und reckte langsam seinen schlanken Körper am Hang empor.
    „Wie steht es?“ fragte Suzanne. „Kommst du an?“
    „Nein“, antwortete er mutlos. „Es ist zu hoch.“
    „Fehlt noch viel?“
    „Das nicht. Bestimmt nicht mal ein Meter.“
    „Dann ist es zu schaffen!“ rief Suzanne kurz entschlossen. „Wie denn?“ fragte Raymond keuchend.
    „Statt daß wir einander die Füße auf die Schultern setzen, kann jeder von uns sich auf den Kopf des Untermanns stellen. Ihr da oben fangt an, und haltet euch brav!“
    Mit größter Vorsicht setzte Pierre erst den einen, dann den anderen Fuß auf Jeans Kopf. Damit waren schon dreißig Zentimeter gewonnen.
    „Jetzt du, Jean! Ganz langsam! Pierre soll gleichzeitig versuchen, sich nochzurecken …“
    Jean setzte einen Fuß auf Jacques Kopf und begann, sich sehr behutsam hochzuziehen.
    Und damit war alles zu Ende. Raymond hielt plötzlich das Gewicht der Kameraden nicht mehr aus und glitt abwärts. Das ganze Gebäude

Weitere Kostenlose Bücher