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Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Rouzé
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Die Mauer aus Steinplatten stellte das äußerste Ende des Ganges dar. Es war nicht möglich, noch weiterzukommen.
    „Raymond!“
    „Was gibt’s, Bruderherz?“
    „Wir stehen schon im Wasser. Macht schnell!“
    Sie taten, was sie konnten. Noch einen Stein, noch zwei, noch drei. Das Wasser stieg. Die beiden Kleinen und Suzanne zogen sich an den Felsblöcken in die Höhe, aber nun störten sie den Fortgang der Arbeit. Raymond faßte einen Entschluß. Erst mußten alle in Sicherheit sein, dann konnte man immer noch sehen, ob man da oder dort einen weiteren Stein lösen konnte, um mehr Platz zu gewinnen.
    „Gib mir die Hand, Jacques!“
    Von der kräftigen Faust seines Bruders emporgezogen, erklomm Jacques den Steinhaufen und kauerte sich in die äußerste Ecke im Hintergrund der Höhle. Dann kam Jean an die Reihe und zuletzt Suzanne. Die Nische war voll wie die Untergrundbahn in Paris gegen sieben Uhr abends. Raymond und Pierre mußten draußen bleiben; sie kauerten sich auf Felsenvorsprünge und klammerten sich am Rande der Höhle an. Die Stellung war nicht eben bequem, und das Wasser würde ihnen später mindestens bis zum Gürtel reichen. Auch konnte sich jeden Augenblick einer der Steine lösen, auf denen sie Halt gesucht hatten. Schon wurden ihre Sohlen von der Flut beleckt. Sie würde unbarmherzig weitersteigen und langsam ihre Knöchel erreichen, dann ihre Knie …
    In der Tiefe der Höhle hockend, tastete Jacques das Mauerwerk ab. War es Einbildung oder …? Es schien wahrhaftig, als lasse sich die Steinplatte ein wenig bewegen. Er rief Jean zu Hilfe, um gemeinsam mit ihm dagegenzudrücken. Die Platte saß nicht fest, der Mörtel mußte sich gelockert haben. Aber was konnte dahinter sein? Suzanne vereinte ihre Kräfte mit denen der beiden Kleinen. Jetzt gab die Platte wirklich um einige Millimeter nach. Man hätte sich stärker dagegenstemmen müssen, aber wie sollten sie in der Enge zu mehreren als zu dritt arbeiten?
    „Paßt auf!“ rief Suzanne. „Stützt euch fest, damit ihr nicht das Übergewicht bekommt. Ich zähle bis drei, und dann drücken wir zusammen noch einmal mit aller Kraft. Seid ihr soweit? Eins — zwei — drei!“
    Alles ging jetzt so schnell, daß Raymond und Pierre überhaupt nicht begriffen, was geschah. Unter dem dreifachen Druck hatte die Platte plötzlich nachgegeben und war wie in einer Versenkung verschwunden. Jacques, Jean und Suzanne hatten vergeblich versucht, sich zu halten, und waren verschwunden, als habe das dunkle Loch da hinten sie verschlungen. Wie in einem Alptraum wurden ihre Schreie desto eindringlicher, je weiter sie sich entfernten. Dann war es still. Pierre und Raymond sahen sich fassungslos an. Wo waren die drei? Was bedeutete diese neue Katastrophe? „Urra-a-uh!“
    Das war Suzannes Stimme. Sie lebte also! Die beiden Jungen beugten sich mit der Lampe über die Bresche in der Mauer. Sie sahen einen dunklen, schmalen Schlauch, der fast senkrecht zur Tiefe abfiel. Wo war Suzanne?
    „Urra-a-uh!“
    „Urra-a-uh!“
    Nun riefen auch die beiden Kleinen. Es klang nicht wie ein Verzweiflungsschrei, es war einfach der Erkennungsruf des Stammes, den zwei beinahe fröhliche Stimmen ausstießen.
    Raymond antwortete aus tiefster Brust:
    „Urra-a-uh!“
    Die Unterhaltung zwischen unten und oben konnte beginnen.
    „Hallo, Suzanne, Jacques, Jean! Seid ihr heilgeblieben?“
    „Alles in Ordnung! Kommt uns nur nach!“
    „Was heißt das? Wo seid ihr?“
    „Hier — ganz unten. Ihr braucht nur herunterzurutschen. Es ist die reine Schlittenfahrt.“
    Pierre zögerte nicht. Er setzte sich auf den Rand der Mauerbresche und ließ sich fallen. Raymond, der hinter ihm herleuchtete, sah ihn in dem düsteren Schlauch verschwinden wie einen Brief im Briefkasten. Von unten drang vergnügtes Lärmen herauf.
    „Mach schon, Raymond, komm!“
    Er prüfte nach, ob die Lampe fest an seiner Jacke saß, dann ließ auch er sich mit hochgezogenen Schultern abwärts gleiten. Fünf oder sechs Meter weit ging die Schlittenfahrt ziemlich schnell und erstaunlich glatt. Der Hang war mit Sand oder Erde leicht überdeckt, das verminderte die Reibung. Zuletzt wurde die Bahn weniger abschüssig, und Raymond landete zu ebener Erde. Er blieb nicht lange sitzen. Vier Paar Freundeshände fingen ihn auf und halfen ihm hoch.
    Die unterirdische Welt bot hier einen völlig anderen Anblick. Sie glich nicht mehr einer Grotte, sondern eher einem Keller und sogar einem recht gut erhaltenen. Sie befanden sich in

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