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Der versunkene Wald

Titel: Der versunkene Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Rouzé
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habe während der ganzen Wanderung immer auf die Zeit geachtet.“
    „Ach was!“ sagte Suzanne energisch. „Findest du nicht, daß wir die Unmöglichkeiten geradezu sammeln? Ein Geiser läuft uns zwischen die Füße, und das in einem Lande, wo es noch nie einen gegeben hat. Wir gehen am Rande einer Klippe spazieren, während es im Umkreis von zehn Kilometern nur Sand gibt. Soll man sich da noch wundern, wenn wir einen Tag und eine Nacht in nur zwölf Stunden verlebt haben? Ich frage mich allmählich, ob wir nicht träumen oder vielleicht auf einem anderen Planeten gelandet sind.“
    „Einem reichlich kühlen Planeten“, meinte Pierre. „Wenn ihr auf mich hört, dann machen wir uns ein Feuer an. Davon wird es erstens wärmer, und wenn es zweitens hier in der Nähe zivilisierte Wesen gibt, so werden sie das Feuer bemerken und vielleicht auf den guten Gedanken kommen, uns aufzusuchen.“
    Sie rissen vertrocknete Farnkräuter aus, die es in Fülle ringsumher gab, und schichteten sie zu einem großen Haufen. Sie brennen leicht, selbst wenn sie ein wenig feucht sind. Zum Glück war das Feuerzeug wasserdicht, und der Docht war trocken geblieben, als der Geiser die Meerkatzen überfiel. Eine Flamme stieg auf und entwickelte beißenden Rauch. Die Farne knisterten und schwelten. Die Jungen zogen ihre Jacken aus und ließen sie trocknen. Von Zeit zu Zeit stand einer auf und holte neue Farnkräuter herbei. Sie besaßen noch einen Rest Wasser aus der unterirdischen Quelle. Das ergab für jeden ein paar Schlucke Kaffee.
    Pierre saß abseits und war in tiefe Gedanken versunken. „Es war Meerwasser“, murmelte er vor sich hin.
    „Wie bitte?“ fragte Raymond. „Welches Wasser?“
    „Das, mit dem du geduscht worden bist. Der Geiser.“
    „Ja“, gab Raymond zu, „es war salzig. Ich hatte den Mund ganz schön voll davon. Und was sagt dir das?“
    Pierre antwortete nicht und fiel wieder in seine Gedanken zurück. Die Kleider waren mittlerweile getrocknet, und sie zogen sie wieder an.
    Es war vollkommen windstill. Die Glut des immer neu angefachten Feuers machte sie langsam schläfrig. Rings um die kleine Oase des Lichtes und der 'Wärme breiteten sich der Nebel und die immer tiefer werdende Dämmerung.
    Es wurde Nacht; kein Zweifel war mehr möglich.
    Pierre erhob von neuem die Stimme.
    „Wir haben großes Glück gehabt“, sagte er. „In dem Augenblick, als wir herauskrochen, hat die Flut den ganzen Gang überschwemmt.“
    „Sehr freundlich von ihr, daß sie so lange gewartet hat!“ meinte Suzanne. „Ich finde es immerhin erstaunlich, daß ein unterirdischer Gang, der fünfzehnhundert Jahre lang standgehalten hat, genau in dem Augenblick zusammenbricht, wo wir ihm den Rücken kehren.“
    „Er ist auch nicht zusammengebrochen. Es war nicht etwa so, daß auf einmal die Decke eingestürzt ist. Das Wasser ist uns einfach nachgekommen. Am Montag erreichte uns die Flut bei einem Haufen von übereinandergetürmtem Gestein. Wir haben die Steine gelockert und viele davon herausgebrochen. Dann trafen wir auf die Mauer und haben eine Bresche hineingeschlagen. Dadurch haben wir selber den ganzen Aufbau erschüttert, der das Wasser davon abhielt, sich bei Hochflut in den tiefer gelegenen Gang zu stürzen. Nach unserem Durchbruch ist die Flut am Dienstag morgen, am Dienstag nachmittag und am Mittwoch wiedergekommen. Jedesmal hat sie sich dank unserer Vorarbeit weiter Bahn brechen können. Und heute, Mittwoch nachmittag, hat die vierte und stärkste Springflut die Mauer niedergerissen. In ein paar Sekunden müssen die Felsen und alles, was im oberen Gang noch standhielt, zusammengebrochen sein. In diesem Augenblick sind wir am anderen Ende des Tunnels ans Tageslicht geklettert. Wir haben das Donnern der ungeheuren Flutwoge gehört, die sich da unten fortwälzte. Durch die eigene Stoßkraft wurde das Wasser zuletzt in die Luft geschleudert. Und schließlich ist es wieder in seine Gleichgewichtslage zurückgefallen.“
    „Ausgezeichnet“, fand Suzanne, die aufmerksam zugehört hatte. „Da hätten wir die Erklärung für den Geiser. Aber erinnert ihr euch, daß kurz, ehe das Wasser kam, der Rauch plötzlich nicht mehr weiter zum Ausgang zog?“
    „Das scheint mir ganz klar“, sagte Raymond. „Kurz bevor die Flut ihren Höchststand erreicht, füllt das Wasser den oberen Gang bis zur Decke, etwa dort, wo die blinden Fische waren. Wir haben gut hören können, wie es gegen die Deckenwölbung prallte. In diesem Augenblick ist der

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