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Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Der verwaiste Thron 02 - Verrat

Titel: Der verwaiste Thron 02 - Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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betonte jedes Wort, so wie die Töne einer Melodie.
    »Wer sonst?«
    »Dann hat mich meine Reise ans Ziel geführt.« Er streckte die Hand aus, eine menschliche Geste, die Schwarzklaue nur vage vertraut war. »Mein Name ist Mortamer Korvellan, und ich bin hier, um dir in den Krieg zu folgen, in den du uns alle führen wirst.«
    Schwarzklaue sah den Fremden einen Moment lang an. Dann legte er seine Klaue um die menschlich wirkende Hand und drückte zu, bis er Blut roch. Korvellan erwiderte seinen Blick starr und ohne Reaktion. Nur die schmalen Falten in seinen Mundwinkeln schienen tiefer zu werden.
    Schwarzklaue ließ los. »Erzähl mir mehr.«

 
Kapitel 1
     
    In Frakknor wird dem Reisenden auffallen, dass sich kaum ein Weg ans Ufer des Großen Flusses schmiegt und keine Straße seine Nähe sucht. Niemand weiß, warum das so ist.
    Jonaddyn Flerr, Die Fürstentümer und Provinzen der vier Königreiche, Band 2
     
    Zwölf Tage waren seit ihrer Trennung von Jonan vergangen. Die ersten drei war Ana nach Norden geritten, am Fluss entlang, auf der Suche nach einem Hafen oder einer Anlegestelle. Sie hatte Fischerboote gesehen und zwei kleine Dörfer – und Milizen, viel zu viele Milizen. In Gruppen von bis zu zehn Mann, größtenteils zu Fuß und mit Speeren und Schwertern bewaffnet, waren sie die Wege entlanggezogen. Sie hatte gesehen, wie vier von ihnen einen alten Mann gehäutet und gehängt hatten. Seine Schreie hatten sie bei ihrer panischen Flucht bis tief in den Wald verfolgt.
    Ana hatte sich danach abseits der Wege gehalten, war lange durch Schlamm und Unterholz geritten und hatte sich erst nach einigen Tagen wieder zurück an den Fluss gewagt. Sie hatte ihren Plan, sich nach Westfall durchzuschlagen, nicht aufgegeben. Es gab keinen anderen Ort, zu dem sie gehen konnte. Somerstorm wurde von den Nachtschatten belagert, die meisten Menschen, die sie kannte, waren bei dem Überfall auf die Festung ihres Vaters ermordet worden, ihr selbst drohte als legitime Erbin des Fürstentums der Tod.
    Niemand hat uns je gemocht , dachte Ana, als sie den Umhang, der ihr nachts als Decke diente, zusammenrollte und am Sattel festband. Sie haben uns geschmeichelt, weil wir reicher und mächtiger als sie waren, weil sie Schulden bei uns hatten, weil sie hofften, ihre Kinder mit meinem Bruder oder mir zu verheiraten. Sie haben uns gehasst und gefürchtet, und das werden sie wieder tun.
    Ja, vor allem sollten sie sie wieder fürchten, und Rickard, ihr Verlobter und Sohn des Fürsten von Westfall, würde dafür sorgen, dass sie dieses Ziel erreichte. Das war Anas Plan. Der Gedanke an Rickard hielt sie aufrecht, wärmte sie in den kalten Nächten. Sie dachte an ihn, wenn sie einschlief, um die Alpträume zu vertreiben, und morgens, wenn sie aufwachte, um die Kraft zum Weiterreiten zu finden. Doch manchmal, wenn Ana die Augen schloss und an Rickard dachte, sah sie nur einen grauen Fleck. Ich habe nicht vergessen, wie er aussieht , sagte sie sich dann. Ich bin nur müde.
    Sie aß das Nussbrot, das sie einem Bauern am Vortag abgekauft hatte, und trank mit Essig vermischtes Wasser. Wie jeden Morgen sah sie sich auf dem Weg und zwischen den Bäumen um, bevor sie auf ihr Pferd stieg und weiter nach Süden ritt. Seit sie Jonan verlassen hatte, fühlte sie sich beobachtet. Manchmal glaubte sie, einen Schatten hinter Farnen oder im Unterholz zu sehen, und an einem Abend hatte sie den Schatten sogar angesprochen – eigentlich eher angeschrien –, bis sie erkannt hatte, dass es sich um einen abgestorbenen Baum handelte.
    Der Weg, dem sie nach Süden folgte, war schmal, mehr ein Trampelpfad als eine richtige Straße. Selbst vom Pferderücken aus konnte man den Großen Fluss über die Sträucher und Bäume hinweg nicht sehen, aber wenn der Wind richtig stand, roch Ana sein süßes, erdiges Wasser und das Salz seiner Algen.
    Die Gerüche waren wie ein Seil, an dem sich ihre Gedanken zurück in die Kindheit hangelten. Sie dachte an ihre Eltern, an das große Haus in Yellera, an die Boote, die manchmal tagelang hatten warten müssen, bevor ein Anlegeplatz frei geworden war, und an die endlosen Reihen der Sklaven, deren Ketten wie ein Windspiel unter ihrem Fenster geklirrt hatten. Seit Jahren hatte sie nicht mehr an Yellera gedacht, doch der Große Fluss vergaß nichts und brachte alles irgendwann zurück. Das hatte ihr Vater immer gesagt.
    Sie wünschte, der Fluss würde sie zurück in die Vergangenheit, zurück nach Somerstorm tragen. Erst in den

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