Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
des Curlingspielers verlassen hatte.
Raupach rief sich die Akte über das vorzeitige Ableben von Jef Braq in Erinnerung. Es war Woytas gewesen, der Valerie damals davonkommen ließ. Eine menschliche Regung, moralischer Konsens, was auch immer. Gerechtigkeit war es jedenfalls nicht, was Woytas dazu bewogen hatte, den Fall in Übereinstimmung mit einem damals hoffnungslos überlasteten Staatsanwalt niederzuschlagen. Es war ein Geschenk.
Und Geschenke wurden gemeinhin eingepackt, damit sie eine Überraschung darstellten. Lästig für den Beschenkten und ein kleiner Kitzel für den Schenkenden, Lohn der Mühe, die man sich macht, wenn man anderen eine Freude bereitet.
Raupach sah einen Karton mit Altpapier vor seinem inneren Auge. Ein Knäuel, rund wie ein Ball. Blau und weiß gemustert. Er konnte ein Buch erkennen, dann einen schwarzen Zylinder. Das Bild zu einem lesenden Schneemann zu ergänzen, fiel ihm leicht, jetzt, da es vor ihm stand. Es war das Geschenkpapier aus Lands Buchhandlung. Der Karton stammte aus der Küche von Valerie Braq.
Manchmal flog ihm so etwas zu. Es entsprang seiner Weigerung, Gegenstände zu vergessen. Das Gedächtnistraining hatte diese Fähigkeit wieder geschärft.
Als er in den Taubenschlag zurückkehrte, kam ihm Heide entgegen. Höttges hatte Valerie Braq verloren. Aber er hatte zwei Telefonate abgehört. Valerie hatte mit ihrer Mutter gesprochen und ihre Tochter Sheila nach Osten geschickt, einem Dorf in der Nähe vom Hamburg. Heide spielte ihm das Band vor. Denk an den Mann mit den Zigarren. Sie spulte zurück und wiederholte die Stelle.
»Die Unterführung in Longerich. Du wirst mir unheimlich, Klemens.«
»Wir müssen uns beeilen, Heide. Ich weiß, wo er ist.«
In der Viersener Straße hatte sich das Observationsteam bereits Zugang zu Valerie Braqs Wohnung verschafft. Die Zeichen von Johan Lands Anwesenheit waren spärlich, Arbeit für die Techniker. Die herumliegenden Zeitungsausschnitte ließen jedoch keinen Zweifel.
»Ich bin mir sicher: Er war hier, als wir sie vernommen haben!«, rief Photini. »Verdammt, wir waren so dicht dran!«
»Anscheinend hat er sich in Sheilas Zimmer versteckt«, sagte Raupach. Er stand mit Heide und Photini in der Küche. Die Spurensicherung traf ein. Raupach nickte Effie zu und wies auf die Tür mit dem »No admittance«-Schild.
Sheila war ebenfalls verschwunden. Keiner aus dem Team hatte sie das Haus verlassen sehen.
Heide war völlig außer sich. »Sind Sie überhaupt zu etwas nütze?«, herrschte sie ihren Assistenten an. Sein Kollege Hilgers stand ebenso bedröppelt neben ihm.
»Mach Höttges keine Vorwürfe. Land kennt hier jeden Quadratzentimeter.«
»So wie es aussieht, hat er sich hier fünf Tage lang aufgehalten! Das kann einem doch nicht entgehen!«
»Land ist gut im Verschwinden«, sagte Raupach.
»Aber sie sind uns alle drei durch die Lappen gegangen!«, erwiderte Heide und machte eine abfällige Geste. »Ich hätte mich selber drum kümmern sollen.«
Raupach wandte sich Höttges zu. »Wie sieht es mit diesem Sonnenstudio aus? Könnte es sein, dass Land Valerie Braq dorthin gefolgt ist?«
»Sie war allein, als ich sie hineingehen sah. Aber es gab Probleme beim Schichtwechsel, Land ist möglicherweise durchgeschlüpft. Unsere Leute haben die Räume erst einmal versiegelt.«
»Wir müssen herausfinden, in welchem Verhältnis Land zu Valerie Braq steht. Warum hat sie uns nichts von ihm gesagt?« Raupach warf Höttges einen fragenden Blick zu, aber der schüttelte nur schuldbewusst den Kopf.
»Eine Komplizin?«, fragte Photini, während sie den Altpapierkarton mit Schutzhandschuhen durchsuchte.
»Nein. Ich denke, dass er sie auf irgendeine Weise in der Hand hat. Wahrscheinlich hat sie beim Tod ihres Mannes nachgeholfen. Das hat er beobachtet. Die Frage ist: Erpresst er sie damit? Hat er sie entführt? Und wenn ja, warum? Könnte sie etwas über ihn verraten, was seinen Absichten zuwiderläuft?«
Photini förderte einen Kartenabriss des Apollo-Kinos zutage und zeigte ihn den anderen. Leider war kein Datum aufgedruckt. »Oder ist ihr Verhältnis enger?«
»Hoffentlich«, erwiderte Heide. »Sonst kommt er auf den Gedanken, sie zu beseitigen, jetzt, da er sie nicht mehr braucht.«
»Hältst du ihn für so kaltblütig?«, fragte Photini.
»Hüten wir uns davor, ihn zum Monster zu machen. Vergesst nicht: Es gibt keine Indizien, dass Johan Land der Mörder von Lübben und den anderen ist. Es gibt übrigens auch keinen Hinweis,
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