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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Jakub eine Weile zu, dann legte er auf.
    »Sie wirft sie in den Müll«, sagte Raupach schließlich. »Sie vernichtet sie.«

    Raupach und Photini blieben noch so lange in Valerie Braqs Wohnung, bis Effie Bongartz alle Abstriche genommen und ihre ersten Analysen beendet hatte. Sie gab die Fingerabdrücke vor Ort in den Computer ein und gelangte zu dem vorläufigen Ergebnis, dass ein Unbekannter in Sheilas Zimmer gewesen war. Effie hatte nur einen halben Abdruck auf dem Bettgestell gefunden. Offenbar war es gründlich gereinigt worden. Aber der halbe Abdruck stimmte mit den Abdrücken aus dem Sonnenstudio überein. Er gehörte zu dem Mann, der Valerie misshandelt hatte. »Aalund«, lautete die einstimmige Vermutung. Der Fingerabdruck auf dem Bett konnte zwar einen harmlosen Grund haben, aber keiner glaubte daran.
    Jakub ergänzte dieses Indiz durch sein Wissen von Vergewaltigungsopfern. Die Kleidung war das Erste, was sie beseitigten. Betroffene Frauen – nicht selten auch junge Männer – zerrissen, zerfetzten, zerschnippelten ihre Unterwäsche und löschten damit die Spuren ihrer Demütigung aus, einen Teil des fremden Spermas, das in den Stoff gesickert war. Den Rest entfernten sie unter schmerzhaften Reinigungsaktionen aus ihrem Körper.
    Bei Sheila schien es besonders schlimm zu sein. Nicht nur wegen ihrer Jugend, obwohl das schon entsetzlich genug war, sondern wegen der Menge an ungebrauchten Slips. Eine Überreaktion? Oder deutete es auf fortgesetzten Missbrauch hin? Hatte sie deshalb einen ganzen Vorrat angelegt und die Slips am Ende extra dafür gekauft?
    Abhängigkeit. Raupach hatte Photinis erste Einschätzung im Fall der jungen Babette im Ohr. Inzest war damals im Spiel gewesen. Das war bei Sheila vielleicht auszuschließen, aber nur vielleicht, weil niemand wusste, ob Jef Braq nur ein schlechter oder ein abscheulicher Mensch gewesen war.
    Nach und nach ermaß Raupach den Umfang der neuen Erkenntnisse. Er hatte keine Beweise, nur Indizien und Hypothesen. Aber wenn sie stimmten, ergab sich daraus ein erschreckendes Bild.
    Um in Ruhe alle Aspekte zu verknüpfen, wechselten Raupach, Photini und Jakub in Johan Lands Wohnung, wo die Spurensicherung abgeschlossen war. Eine verwaschene Dämmerung senkte sich über die Stadt, als sie um die Ecke bogen und sich gegen den Wind stemmten, der durch den Straßenzug pfiff. Der Schnee hatte sich von den Dächern zurückgezogen und ließ ein entmutigendes Spektrum von Grautönen zum Vorschein kommen. Raupach rauchte eine Zigarette nach der anderen, Photini und Jakub ebenso. Über einen Pizzaservice ließen sie sich etwas zu essen kommen, brachten aber kaum etwas herunter. Schließlich fasste Raupach zusammen.
    Sheila war vergewaltigt worden. Von Aalund, davon gingen sie aus. Valerie Braq hatte ihren Mann Jef vor einem Jahr umgebracht. Weil er sich an ihr und vielleicht sogar an seiner Tochter vergangen hatte. Dann waren die anderen Mitglieder der Band ermordet worden, mit Ausnahme von Aalund. Es musste ein Zusammenhang bestehen. Wenn auch Lübben das Mädchen missbraucht hatte, wenn selbst Materlink und Tiedke beteiligt gewesen waren, ergab sich ein plausibles Bild. Dann waren die Morde Vergeltungsakte für Vergewaltigungen. Es bestand zwar die Möglichkeit, dass Aalund Mitwisser seiner Übeltaten beseitigt hatte. Wahrscheinlich war jedoch, dass Sheila oder Valerie oder beide gemeinsam es getan hatten.
    Sie konnten es aber nicht allein gewesen sein. Bekamen sie Hilfe von Johan Land? Hatten sich da drei Unglückselige gefunden und waren übereingekommen, ihre Ziele zu verschmelzen? Oder handelten sie getrennt voneinander, jeder ein Opfer seines eigenen Traumas? Welchen Zweck hatte das Strychnin? Diente es nur dazu, dass sich ein wehrloses Mädchen ein bisschen sicherer fühlte? Hatte sich Sheila beim Anblick des weißen Pulvers in Femephantasien ergangen? Oder war es bereits zum Einsatz gekommen, etwa bei Materlink oder Tiedke, an deren verbrannten Leichen keine Rückstände des Giftes nachzuweisen gewesen waren? Gab es noch mehr davon?
    Die Ermittler diskutierten die verschiedenen Kombinationen. Ihre unterschiedlichen Erfahrungen mit Vergewaltigungsfällen flossen ein. Keiner von ihnen machte sich irgendwelche Illusionen, am wenigsten Photini, die während ihrer Zeit als Polizeischülerin eine ganze Reihe besonders hässlicher Fälle untersucht hatte. Ihr Bild von Kriminellen war dadurch stark geprägt worden, ebenso wie ihre Erwartungen an den Strafvollzug. Sie

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