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Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)

Titel: Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Tag und nicht die Stunde und die Minute.
    Um 18 Uhr 30 kam die 12, mit leichter Verspätung. Diesmal waren es nur wenig Passagiere, die Wagen waren innen gut beleuchtet. Raupach konnte niemanden entdecken, von dem Gefahr ausging. Eine größere Gruppe Jugendlicher, die vermutlich aus Zollstock kam. Auch hier saßen in jedem Wagen Polizisten.
    Dann war es so weit. Die Linie 15 sollte um 18 Uhr 33 eintreffen. Um 18 Uhr 31 hielt sie am Zülpicher Platz, der letzten Station vor dem Rudolfplatz. Dort konnte Land seinen Brandsatz klarmachen, ihn auf der Fahrt zum Rudolfplatz zünden, und der Wagen würde bereits brennend einfahren. Wenn es die verdeckten Ermittler, die in der 15 saßen, nicht verhinderten.
    Oder er tat es hier auf dem Bahnsteig. Während er einstieg. Raupach sah sich um. Auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig gab es einen Tumult. Ein Mann wurde in den Polizeigriff genommen und gefilzt. »Wieder nichts«, gab Woytas kurz darauf durch. Sie durften jetzt nicht die Nerven verlieren.
    Raupach hörte das ferne Zischen der 15. Er ging langsam an den wartenden Leuten vorbei, suchte nach rotblonden Koteletten und einer hoch gewachsenen Statur. Fieberhaft schloss er aus: zu klein, zu jung, zu alt, kein Handgepäck. Er spürte den Luftzug der U-Bahn und drehte sich um. Sah Wagen um Wagen passieren. Die Bahn hielt. Leute stiegen ein und aus, es wirkte wie ein natürlicher Vorgang, alle Bewegungen waren aufeinander abgestimmt, niemand hielt den anderen auf. Ein Schwarm von Fischen.
    Dann war der Bahnsteig wieder leer.
    Johan Land war nicht gekommen.
    Raupach blieb stehen und wartete auf die Linie 6. Sie hielt planmäßig um 18 Uhr 36.
    Johan Land war wieder nicht dabei. Sollte Raupach erleichtert sein oder enttäuscht? Er wusste es nicht.
    Auch in der nächsten Bahn saßen mehrere Polizisten. Fehlanzeige um Fehlanzeige. Bis 18 Uhr 59 fuhr nur noch ein verdeckter Ermittler mit. Danach konzentrierte sich die Überwachung, wie vorgesehen, wieder auf die Bahnsteige. Raupach hatte keine Ahnung, wie oft er in der Station auf und ab lief.
    Allmählich gaben die anderen U-Bahn-Stationen Entwarnung. Kein Brand, keine Festnahme. Johan Land tauchte nirgendwo auf. Raupach sank auf einen Wartesitz und beobachtete den reibungslosen Verkehr.
    Es wurde 19 Uhr 30. Dann 20 Uhr. Woytas kam zum Bahnsteig herunter und schüttelte bedauernd den Kopf.
    Raupach konnte sich den Hohn der Presse schon vorstellen: Viel Lärm um nichts. Außer Spesen nichts gewesen. Während der Feiertage hatten die Journalisten genug Zeit, ihre Messer zu wetzen. Er verübelte es ihnen nicht einmal. Wenn er die Kosten des Einsatzes überschlug, wurde ihm schlecht.
    Um neun kam Heide und setzte sich wortlos neben ihn. Valerie Braqs Vernehmung war vorläufig beendet. Ohne weitere Ergebnisse.
    Sie starrten eine Weile auf die blauen Fliesen an den Wänden. Auf einen Werbebildschirm zwischen den Gleisen: »Last-Minute-Reisen: Silvester am Polarkreis.« Auf den Boden zwischen ihren Füßen.
    »Wann gehen eigentlich die Sterne auf?«, fragte Raupach.
    »Warum?«
    » Winkt der Sterne Licht, ledig aller Pflicht. So gingen doch die letzten Gedichtzeilen, die uns Land geschickt hat. Ich hab sie mir gemerkt.«
    »Heute gehen die Sterne nicht auf. Der Himmel ist bewölkt.«
    »Und wann gehen sie normalerweise auf? Ich meine, ab wann kann man sie in Köln sehen?«
    »Ab jetzt, würde ich sagen.« Heide lachte. »Du gibst nicht auf, wie?«
    »Nein.« Es klang weder starrköpfig noch entmutigt. »Noch haben wir den Tag vor der Geburt des Erlösers.«
    »Und solange der nicht vorbei ist, willst du hier warten?«
    »Ich weiß nicht.« Raupach überlegte. »Land hat seinen Plan auf jeden Fall geändert.«
    »Valerie Braq glaubt, dass er es nicht mehr tun wird. Sie glaubt, sie habe ihn davon abgebracht.«
    Raupach holte die Fotokopien des Tagebuchs aus seiner Jacke. »Sie denkt, dass sie ihn kennt. Wie viele Frauen glauben das von ihren Männern?«
    »Sie hat herausgefunden, dass Land an einer Folie à deux leidet, auch wenn sie mit dieser Bezeichnung nichts anfangen kann. Sie hat ihn von Marta Tobischs Einfluss geheilt. Jakub sagt, ein Therapeut hätte es kaum besser machen können. Rollentausch nennt man das.«
    »Bewundernswert, wenn es stimmt.«
    »Sie glaubt an einen Neuanfang. Zusammen mit ihm.«
    Raupach erstarrte. »Ein Neuanfang«, sagte er langsam. »Danach würde ich mich an seiner Stelle auch sehnen.«
    »Dann wartest du am falschen Ort. Hier«, Heide sah sich um,

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