Der vierte Mörder: Klemens Raupachs erster Fall (German Edition)
würde?
Das Streichholz stammte aus einer lange zurückliegenden Reise nach Griechenland. Der Kopf enthielt weißen Phosphor, deshalb ließ es sich an jeder rauen Fläche entzünden. Seine Flamme war deutlich zu sehen.
Der Polizist zeigte immer noch keine Reaktion.
Plötzlich hörte Johan einen lauten Knall. Etwas Seltsames passierte mit dem Mann. Er ließ die Maschinenpistole fallen und kippte ganz langsam um. Johan sah einen Draht in seiner Backe stecken. Ein bläulicher Lichtschein waberte über sein Gesicht. Es gelang ihm trotzdem, die Hand zu heben.
Das Streichholz war ausgegangen. Johan nahm ein neues.
»Tun Sie es nicht.«
Die Stimme kam Johan bekannt vor.
»Denken Sie an Valerie!«
Johan dachte dauernd an sie. Das Streichholz zündete. Er würde Valerie niemals vergessen.
Die Stichflamme war entsetzlich.
Raupach warf die Elektroschockpistole weg. Er hatte den Wagen durch die zweite Tür weiter vorn betreten und sich hinter dem Fahrkartenautomaten verborgen gehalten, bis ihm klar geworden war, was hier geschah. Jetzt riss er den Feuerlöscher aus der Halterung, zog den Sicherungsstift heraus und richtete ihn auf die menschliche Fackel. Für einen Moment schien es, als verlöschten die Flammen im CO 2 -Nebel. Aber dann bekamen sie neue Nahrung und schlugen stärker hoch als zuvor.
Raupach zerrte Paul Wesendonk aus der Gefahrenzone. Dann stürzte er ans andere Ende des Wagens, fand einen zweiten Feuerlöscher und lief zurück.
Inzwischen brannten schon die stoffbezogenen Sitze, Johan Land war auf die Seite gesunken. Die Hitze war spürbar gestiegen, sie saugte den Sauerstoff aus dem U-Bahn-Wagen.
Die erste Ladung aus dem Feuerlöscher verpuffte einfach. Raupach schnappte nach Luft, aber es gab nichts mehr zu atmen. Er probierte es weiter und verwandelte Johans Körper in ein qualmendes Etwas. Dann fand er einen plombierten Sicherheitshammer und schlug eine Scheibe ein. Der Unterdruck entwich. Raupach fächelte Johan Land Luft zu.
Dann stoppte die Bahn. Heide war in dem ersten Wagen mitgefahren. Sie sprang heraus und lief zu dem hinteren Wagen, um Raupach zu Hilfe zu eilen. Gemeinsam gelang es ihnen, die Flammen zu ersticken.
Heide hatte einen Notruf abgesetzt. Trotzdem dauerte es kostbare Minuten, bis die Sanitäter vor Ort waren. Als sie eintrafen, war Johan Land nicht mehr am Leben.
27. Dezember
Die Vernehmungen zogen sich über die gesamten Feiertage hin. Paul Wesendonks Wohnung in der Pionierstraße am Zoologischen Garten wurde durchsucht. Er hatte seine Sachen bereits für den Umzug nach Duisburg gepackt. Von der Glock, mit der er Luzius Goodens angeschossen hatte, hatte er sich offensichtlich nicht trennen können. Neben einer Sammlung anderer Faustfeuerwaffen fand sich auch ein Nachtsichtgerät. Und ein unbenutzter Brandsatz in der Art eines Molotow-Cocktails.
Raupach und Heide holten es nach und nach aus ihm heraus, wie Schrotkörner aus einem Stück Wildbret. Er wollte keinen Anwalt, stritt zunächst alles ab. Als Alibi schob er stets den Dienst vor. Aber sein Auftritt als Bereitschaftspolizist mit Helm und MP hatte das ganze Gebäude zum Einsturz gebracht. Als er schließlich erfuhr, dass Sheila noch lebte, verriet er sich mit einer unbedachten Äußerung und spuckte schließlich alles aus. Dabei hatte das Mädchen ihn gar nicht gesehen, wie sich bei ihrer Aussage herausstellte.
Sheila verschwieg nichts. Am 26. Dezember war sie vernehmungsfähig. Sie gab alles zu. Haarklein schilderte sie, wie sie und Goodens vorgegangen waren.
Sheilas und Valeries verspätete Kooperation würden sich positiv auf ihr Gerichtsurteil auswirken, mutmaßte Raupach. Lange Zeit konnte das Mädchen nicht glauben, dass Luzius Goodens seine Unschuld behalten und letztlich keinen Menschen umgebracht hatte. Keinen der Musiker, korrigierte Raupach, denn Goodens hatte laut Strafregister eine Jugendsünde begangen. Er hatte nicht auf dem Rummel gearbeitet, wie Sheila vermutet hatte, sondern war in Italien wegen Mordes an seinem Vater verurteilt worden. In Bozen hatte er im Jahre 1985 eine Jugendstrafe abgebüßt. Seine Personalien befanden sich nicht in der Datenbank des BKA, ebenso wenig wie seine DNS.
Raupach fasste die Ermittlungsergebnisse auf einer Pressekonferenz zusammen. Er las einfach den Bericht vor.
Paul Wesendonk war durch Heide Thum stets über den Stand der Ermittlungen unterrichtet gewesen. Er wusste auch von Valeries Mord an Jef, weil er an der Untersuchung des Falles damals mitgearbeitet
Weitere Kostenlose Bücher