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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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durchsetzen? Hundebesitzer sind so ziemlich zu allem fähig, wenn es um ihr Tier geht. Aber dieser Schäferhund scheint mir unangenehm gesund. Bedrohlich fletscht er weiterhin seine Zähne, steckt ganz eindeutig mit seinem Herrchen unter einer Decke. Das muss ich mir merken! Schließlich kann die Sache immer noch gut ausgehen, und ich werde in einem Prozess zu möglichen Komplizen befragt.
    Die Pistole des Blinden - oder handelt es sich um einen Revolver, keine Ahnung - ist unverändert auf Renate gerichtet. Sicher fragte auch sie sich, wie blind dieser Blinde wirklich ist, ob es sich nur um eine Maskerade handelt oder ob sein Sehvermögen wirklich beeinträchtigt ist, aber immerhin für die drei Meter zwischen ihnen reicht. Und ebenso sicher will sie es nicht auf einen Test ankommen lassen.
    Der Blinde winkt Renate mit seiner Pistole,
    "Kommen Sie mal ganz langsam näher!"
    Vorsichtig nimmt der Blinde seinen Rucksack vom Rücken und stellt ihn auf den Boden. Die Pistole wechselt er dabei in die linke Hand, hält sie jedoch weiter auf Renate gerichtet, die jetzt unmittelbar vor ihm steht.
    "Nun öffnen Sie den Rucksack. Die rechte Außentasche! Auch ganz langsam! Wie heißen Sie?"
    "Ich bin Schwester Renate."
    "Also gut, Schwester Renate. Haben Sie die Außentasche geöffnet?"
    "Ja."
    "Was sehen Sie in der Tasche?"
    Mein Gott, lass es bloß keine Bombe sein! Ich hasse Bomben!
    "Handschellen, glaube ich."
    "Richtig, das sind Handschellen, Schwester Renate. Wie viele Leute sind jetzt hier? Außer den Patienten, meine ich."
    Renate zögert, entschließt sich dann zur Wahrheit.
    "Vier."
    Sie hat richtig gezählt: Schwester Renate, Schwester Käthe, Chefarzt Zentis, ich. Erst jetzt erkennt Renate, dass sich Zentis aus meiner Deckung gelöst hat und auf weißen Arztsocken in Richtung Tür schleicht.
    Hastig ergänzt Renate: "Vier, mit Ihnen sind wir vier. Und die Patienten."
    Vorsichtig aber nicht ganz geräuschlos dreht Zentis mit der linken Hand den Türknauf, den Zeigefinger der rechten vor dem Mund. Eine ziemlich überflüssige Geste. Aber immerhin, gleich hätte er es geschafft. Ist das feige Fahnenflucht, Verrat an uns, seinen Kollegen, oder eine unterstützenswerte Initiative? Der Hund entscheidet sich für die erste Möglichkeit und lässt wieder ein leises Knurren hören. Der Blinde schwenkt die Pistole in Richtung Tür.
    "Und an der Tür, wer ist das?"
    Sofort nimmt Zentis die Hand vom Drehknopf, erstarrt zu einer Salzsäule. Pech gehabt. Jeder Laie weiß um die extreme Schärfung des Hörsinns bei Blinden. Wahrscheinlich hat selbst Zentis schon einmal davon gehört und nur vergessen, dass der Türknopf schon seit Monaten geölt werden soll.
    "Sie alle, spielen Sie keine Spielchen mit mir. Schwester Renate, Sie werden jetzt bitte drei Paar Handschellen aus meinem Rucksack nehmen und damit Ihre werten Kolleginnen und Kollegen an den Rohren der Zentralheizung anschließen. Auch den Kollegen an der Tür. Haben Sie das verstanden?"
    Hat sie, und sie tut, war er verlangt. Danach muss sie den Blinden zu uns führen, und gemeinsam überprüfen der Blinde mit der Hand und sein Schäferhund mit der Schnauze, ob wir auch wirklich sicher festgekettet sind. Sind wir. So sicher, wie dieser Schäferhund eine Munddusche gebrauchen könnte.
    Dieser Tag meint es nicht gut mit mir. Ich bin nicht nur plötzlich eine Geisel, für wen oder was auch immer, sondern auch noch unmittelbar neben Chefarzt Zentis an die Heizung gekettet. Überdies hat Zentis offensichtlich in den letzten Minuten keinen neuen Gedanken gefasst.
    "Wirklich. Das ist alles Ihre Schuld!"
    Selten genug, dass Zentis recht hat, aber in diesem Punkt kann ich ihm nicht widersprechen. Es ist meine eigene Schuld, dass ich hier neben ihm hocke und seinen Angstschweiß riechen darf, längst sollte ich zu Hause sein und mich von einem unruhigen Nachtdienst erholen. Ich habe heute Vormittag kurz nach meinen Patienten gesehen, dann noch zwei Herzschrittmacher eingebaut, und war tatsächlich fast auf dem Weg nach Hause, als mich die Aufnahmestation anrief: Sie hätten einen Patienten mit akuten Brustschmerzen, ob ich mir den mal schnell anschauen könne? Warum gerade ich? Einfach: weil Sommer ist, weil Ferienzeit ist, weil meine lieben Kolleginnen und Kollegen am Strand von Usedom oder von Paradise Island in der Sonne braten. Das hatte mir den dritten Nachtdienst innerhalb von zehn Tagen beschert. Also dackelte ich hochmotiviert und voller Energie runter zur Aufnahmestation

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