Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
Vom Netzwerk:
habe ein Problem mit einer Patientin, die bei Ihnen an einer Studie teilgenommen hat. Vor zirka drei Wochen. Um was für eine Substanz ging es da?"
    "Wir führen hier verschiedene Untersuchungen durch. Wie ist der Name Ihrer Patientin, Herr Kollege?"
    Die Frage habe ich erwartet, eine gute Antwort ist mir aber trotzdem nicht eingefallen.
    "Ich habe das mit der Teilnahme an dem Test nur zufällig herausbekommen, von einem Angehörigen. Der Patientin ist die Sache offenbar peinlich. Deshalb war sie, soweit ich weiß, bei Ihnen unter falschem Namen. Den hat sie mir aber nicht verraten. Sie wissen ja, wie Patienten sind! Jedenfalls soll sie die Substanz bei Ihnen als Spritze bekommen haben."
    Diese weitschweifige Erklärung klingt in meinen Ohren ziemlich lahm. In den Ohren des Kollegen Schaaf wahrscheinlich auch. Ich lege etwas nach.
    "Haben Sie in letzter Zeit mehr als eine Substanz, die gespritzt wird, untersucht?"
    Kollege Schaaf bleibt stur.
    "Ohne den Namen der Patientin kann ich Ihnen wirklich nicht helfen."
    Ich kann die Sache wohl kaum mehr schlimmer machen und nehme die gerade Strecke.
    "Möglicherweise hat die Patientin sich bei Ihnen unter dem Namen Lustig vorgestellt."
    Wenn Kollege Schaaf bekannt ist, dass die Probandin Lustig seit Wochen auf der Intensivstation der Humana-Klinik liegt, wird er mir kaum die Geschichte von dem Hausarzt, der plötzlich "ein Problem" mit ihr hat, abnehmen. Aber so, wie ich Zentis und seine Informationspolitik bei Schwierigkeiten kenne, stehen die Chancen gut, dass Dr. Schaaf nichts davon weiß.
    "Eine Frau Lustig, sagen Sie?"
    "Ja, der Name Lustig wäre möglich. Oder Fröhlich."
    Vielleicht ist Dr. Schaaf über das gegenwärtige Schicksal der Testkandidatin Fröhlich, geborene Lustig, tatsächlich nicht informiert.
    "Aus dem Kopf kann ich dazu nichts sagen. Aber ich werde mich schlau machen, Herr Kollege. Geben Sie mir einfach die Nummer Ihrer Praxis. Ich rufe Sie zurück, sobald ich kann."
    Für einen Moment sitze ich in der Falle.
    "Ich bin die nächsten zwei Tage nicht in der Praxis, ich gebe Ihnen lieber meine Handynummer. Und übrigens: Die Frau ist Privatpatientin, Diskretion wirklich wichtig."
    Eine Privatpatientin, die als Pharmahure arbeitet? Ein Hausarzt, der nur über Handy erreichbar ist? Ich bin gespannt, ob wir vom Kollegen Schaaf jemals wieder hören werden!
    "Sie sind angekommen", meldet Schwester Renate ziemlich lautstark durch die verwaiste Intensivstation.
    Wer ist wo angekommen? Spezialeinsatztruppen der Bundeswehr, um uns mit schwerem Gerät zu befreien? Meine Freundin Celine und ihre Mitstreiter, um angesichts des großen Medienaufgebots wirkungsvoll gegen Tierversuche zu demonstrieren? Renate deutet zur Erklärung auf den Fernsehapparat, aber der Blick dahin führt nicht zur unmittelbaren Beantwortung meiner ungestellten Frage. Ich erkenne nur Kameras und Mikrofone und drängelnde Menschen, die sich wie der Zellhaufen eines amorphen Riesenwesens durch einen Eingang quetschen. Dann schwenkt die Kamera nach oben, und ich erkenne die Schrift über dem Eingang: Charité. Frau Fröhlich ist angekommen. Der Schäferhund bellt begeistert den Bildschirm an, aber wohl nur, weil wir alle in die Richtung gucken.
    Die Meute schafft es tatsächlich komplett durch den Eingang, bleibt dicht am Opfer. Ich mache mir ernstlich Sorgen. Leicht kann bei diesem Gerangel der Beatmungsschlauch abgerissen werden, oder eine der Infusionen!
    Im Gegensatz zu amerikanischen Krankenhäusern verfügen die Kliniken in Deutschland noch nicht über eine eigene "Security", siehe unsere Geiselnahme. Was die Situation in der Charité wenigstens vorerst löst, ist allein die Tatsache, dass außer Frau Fröhlich und dem begleitenden medizinischen Personal nur ein TV-Team in den Fahrstuhl passt.
    Sicher hat es das Verfolgerfeld mit anderen Fahrstühlen oder der Treppe versucht, aber irgendwie ist man die Bande losgeworden, vielleicht hat auch endlich die Polizei für Ordnung gesorgt. Das dürfte nicht einfach gewesen sein, denn es sei nicht Aufgabe der Polizei, Übertragungsrechte zu vergeben, werden die verschiedenen TV-Anbieter betont und sich auf Schnelligkeit und Einfallsreichtum ihrer jeweiligen Teams vor Ort verlassen haben. Endlich gibt es ein ruhiges Bild, auf dem Frau Fröhlich von der Transportliege in ein Bett umgelagert wird und ein Team anscheinend kompetenter Leute sich um sie kümmert. Zu meinem Erstaunen haben alle Kabel und Schläuche das Gedränge überstanden. Die Kamera

Weitere Kostenlose Bücher