Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
Vom Netzwerk:
schwenkt und fokussiert auf einen gutaussehenden Mittvierziger, der sich als Dr. Joachim vorstellt, Oberarzt der Gastroenterologie an der Charité. Ein Rotschopf redet auf ihn ein und hält ihm ein Mikrofon vor die Nase, zu verstehen ist nur seine letzte Antwort.
    "Ich sage doch, ich kann Ihnen noch gar nichts sagen. Sobald die Patientin versorgt und stabilisiert ist, werden wir sie untersuchen und, wenn das möglich ist, an die sogenannte künstliche Leber anschließen. Am besten, Sie lassen uns in Ruhe unsere Arbeit machen. Damit helfen Sie uns und damit der Patientin am meisten."
    Dr. Joachim verschwindet aus dem Bild und widmet sich seiner neuen Patientin. Genau die richtige Besetzung, finde ich. Dr. Joachim strahlt Ruhe, Kompetenz und verhaltene Zuversicht aus. Wie ein guter Schauspieler, der einen Arzt spielt. So ein Arzt wäre ich auch gerne!
    Herr Fröhlich sitzt unverändert auf Bett vier und krault seinen Hund. Er starrt weiterhin auf den Fernsehschirm, der im Moment aber nur die Front der Universitätsklinik zeigt. Am unteren Bildrand laufen die Aktienkurse. Klinikaktien werden stabil notiert, Pharmaaktien zeigen auch heute ein leichtes Plus.
    "Kennen Sie diesen Dr. Joachim?" fragt mich Fröhlich.
    "Nicht persönlich. Aber er hat einen guten Namen als Leberspezialist."
    Das mag wahr sein oder nicht. Tatsächlich habe ich noch nie etwas von Dr. Joachim gehört. Aber das ist nicht einer mangelnden Bedeutung von Dr. Joachim geschuldet sondern der Tatsache, dass ich Herzspezialist bin, und als Herzspezialist kenne ich gerade mal die Herzkollegen an der Charité, nicht aber die Magenleberdarmspezialisten.
    "Ja, er macht wirklich einen kompetenten Eindruck."
    Alle Krankenhäuser, auch die altehrwürdige Berliner Universitätsklinik Charité, stehen heutzutage unter erheblichem Wettbewerbsdruck, sind sich für Eigenwerbung nicht zu fein. Ich bin sicher, dass Dr. Joachim der führende Mann an der künstlichen Leber in der Charité ist. Aber zusätzlich ist er auch ausgesprochen telegen, eine Starbesetzung sozusagen. Der Tag dürfte nicht fern sein, an dem die Kliniken für ähnliche Fernsehauftritte Schauspieler engagieren. Oder uns Ärzte abends auf die Schauspielschule schicken.
    "Bei der nächsten Übertragung verlange ich einen Schwenk auf meine Frau. Die war nicht richtig zu erkennen."
    Da hat er recht, diese Forderung kann ich nachvollziehen. Aber sonst? Was gibt es sonst noch für ihn zu fordern? Er hat das Abschalten der Medizintechnik an seiner Frau verhindert, sie ist jetzt sogar an der künstlichen Leber. Er hat eine Million Euro kassiert und wenigstens die Sympathien aller deutschen Fernsehproduzenten.
    "Jetzt haben Sie doch alles erreicht, was Sie wollten, oder?" frage ich vorsichtig.
    "Was meinen Sie damit? Dass ich aufgeben soll?"
    Käthe und Renate schauen angespannt, fürchten, dass ich dünnes Eis betreten habe.
    "Ich spreche nicht von aufgeben. Sie haben doch alles erreicht! Deshalb, denke ich, können Sie die Sache langsam beenden."
    "Und eine Minute später stellt Ihr Kollege Dr. Joachim seine Maschinen ab, oder?"
    Ich hatte meinen Vorschlag ernst gemeint, bin wirklich der Meinung gewesen, Fröhlich könne seine Aktion beenden. Aber natürlich hat er recht, ich habe die Sache nicht zu Ende gedacht. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass der Kollege in der Charité bei unserer Freilassung die künstliche Leber abstellen würde, aber Fröhlich kann es. Und warum sollte er ein Risiko eingehen, wo er schon so viel erreicht hat? Aus seiner Perspektive macht nur eines Sinn: die Fortsetzung unserer Geiselhaft. Er fasst das in einfachen Worten zusammen.
    "Wir werden noch ein wenig zusammen bleiben."
    Fröhlich hat uns dabei alle nacheinander kurz angeschaut, jetzt wendet er sich mit einem traurigen Lächeln wieder an mich.
    "Vielleicht nutzen Sie die Zeit, Dr. Hoffmann. Da gibt es doch noch ein paar Dinge, denen Sie auf den Grund gehen wollten."
    Eine Welle aus Frustration, Enttäuschung und hilfloser Wut überkommt mich. Ich habe es satt, dass uns dieser Kerl herumkommandiert. Können wir uns nicht einfach auf ihn stürzen? Oder ihm den Sprengstoff, den er uns umgebunden hat, an den Kopf werfen? Immerhin steht es drei gegen einen, und wir brauchen keine Rücksicht mehr auf Patienten zu nehmen!
    Ich schaue zu Käthe und Renate. Renate errät meine Gedanken, schüttelt kaum merklich den Kopf. Sie hat recht. Blinder Aktionismus ist dumm und gefährlich. Wir brauchen einen Plan und, wichtiger noch,

Weitere Kostenlose Bücher