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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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uns, welche Pharmafirma an einem Fett-weg-Mittel arbeitet, und verrate es uns gefälligst sofort!"
    Renate ist rot vor Zorn, die kleinen Äderchen treten an der Stirn hervor. So zornig habe ich sie nicht mehr erlebt, seit ich sie der Mitverantwortung für den Tod meiner Tante Hilde verdächtigt habe und sie mich beim Rumschnüffeln in dieser Sache in der Schwesternumkleidekabine erwischt hat. Ich nehme ihr das Handy wieder ab.
    "Du musst Renate verstehen, Michael. Wir haben im Moment tatsächlich nur eine Sorge: Wir würden gerne lebend aus dieser Situation herauskommen. Und die Informationen, um die ich dich gebeten habe, könnten dafür wichtig sein."
    Michael räuspert sich hörbar, antwortet dann.
    "Sogenannte Schlankmacher, die wirklich funktionieren, sind bei jeder Pharmafirma ganz hoch oben auf der Forschungs- oder Entwicklungsliste. Wer wünscht sich nicht eine Lizenz zum Gelddrucken? Die Firma, die in dieser Richtung etwas Vernünftiges auf den Markt bringt, braucht nichts anderes mehr herzustellen. Anders als Viagra und Co. bedient sie auch noch beide Geschlechter. Also, mit anderen Worten, da dürften alle dran sein."
    Wieder reißt Renate das Handy an sich.
    "Erzähl uns nicht, was wir auch schon wissen, Michael. Was du mit deinen Kontakten für uns in Erfahrung bringen sollst, hat dir Felix genau gesagt: ob so ein Schlankmacher vor kurzem in unserer Tagesklinik untersucht worden ist, was für ein Zeug das war, und für welche Firma wurden die Untersuchungen durchgeführt. Meinst du, du bekommst das auf die Reihe?"
    Zögern am anderen Ende der Leitung, dann: "Das wird nicht ganz einfach sein. Auf jeden Fall wird es etwas dauern."
    Ich schaue Renate an. Teilt sie meinen Verdacht, dass Michael uns hinhält, dass er längst die Antwort auf unsere Fragen kennt? Oder leide ich unter zunehmender Geiselparanoia?
    Michael fährt fort: "Und, noch einmal: Ihr seid euch im Klaren darüber, dass Handys abgehört werden können?"
    "Sind wir, Michael. Lass das unsere Sorge sein. Komm endlich in die Gänge, und ruf uns in, sagen wir, einer Stunde wieder an. Bis dann!"
    Renate legt auf. Ich wäre nicht so scharf geworden gegenüber meinem Freund Michael, bin Renate aber dankbar für ihre Bestimmtheit. Wenn es eben tatsächlich nur um Michaels Phlegma ging, war ihr kleiner Schubs sicher nicht unnütz.
    Es folgen zwei ereignislose Stunden, wobei Ereignislosigkeit in unserer Situation als positiv gewertet werden muss. Die Minuten schleppen sich träge dahin, die Zeiger der großen Wanduhr scheinen gegen eine zähe Masse anzuarbeiten.
    Renate und Käthe beschäftigen sich weiter mit dem Putzen der Geräte, sortieren Medikamente und füllen die Notfallmedikation neben den leeren Betten auf. Geiselnehmer Fröhlich starrt abwechselnd gegen die Wand und auf den Fernsehmonitor, der Ton ist abgeschaltet. Oder er unterhält sich mit seinem Schäferhund.
    "Was meinst du, wird doch noch alles gut mit Ingrid?"
    Der Schäferhund reagiert mit aufgeregtem Schwanzwedeln, was Herr Fröhlich als Zustimmung wertet.
    "Sehen Sie!"
    Es mag noch ungeeignetere Orakel geben, aber auch akzeptable Orakel können irren, fürchte ich. Trotzdem, eigentlich eine friedliche Szene - würde Fröhlich jetzt nicht anfangen, seine Pistole zu putzen.
    Ich habe keine Lust, mich auch mit dem Hund zu unterhalten oder zu testen, wie er bei mir auf den Namen "Ingrid" reagiert. Unsere Schwestern will ich auch nicht in der beruhigenden Routine ihrer Beschäftigung stören. Also versuche ich, Fröhlichs Pistolengeputze zu ignorieren, und überlege, mit welchen Gedanken ich mir die Zeit verkürzen könnte. Aber mir fällt nichts zum Denken ein. Zur nahen Zukunft möchte ich mir keine Gedanken machen, denn mit dem Überleben von Ingrid Fröhlich ist auch unter der Obhut der Leberspezialisten an der Charité kaum zu rechnen, und über die dann zu erwartende Reaktion von Herrn Fröhlich braucht man nicht zu spekulieren. Gedanken zur weiteren Zukunft sind erst recht sinnlos.
    Ziemlich bedeutsam, was mir dann beim Nicht-Gedanken-Machen so alles einfällt: ein Jackett und zwei Hosen, die ich noch in die Reinigung bringen wollte, meine unerledigte Steuererklärung für das vergangene Jahr, drei Bücher, die ich vergangene Woche im Buchladen um die Ecke bestellt habe. Und als Spitzenleistung meiner unruhigen Neuronen fallen mir plötzlich mögliche Weihnachtsgeschenke für Celine ein - an einem heißen Julitag als Geisel auf der Intensivstation! Schon erstaunlich, über was

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