Der Vierte Tag
Fernseher.
"Ausgezeichnet", versichere ich ihr. "Es gibt wohl nichts mehr, was man nicht mit an den Nordpol schleppen kann."
Was Celine dann von der Hakerfront zu berichten hat, ist trotz der langen Nachtarbeit gemeinsam mit ihrem Hamburger Freund wenig ermutigend. An die Daten aus unserem Kliniklabor sind die beiden genauso wenig wie ich herangekommen, vielleicht gibt es da gar keine Leitung nach draußen. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte haben sie weiterhin keinen Hinweis auf MS 234 gefunden. Und bei Alpha Pharmaceutics sind sie zwar unverändert in deren E-Mail-Verkehr, den sie inzwischen tatsächlich zum Teil entschlüsseln konnten, aber ein Zugriff auf den Zentralcomputer mit Daten zu MS 234 ist ihnen immer noch nicht gelungen.
"In den E-Mails haben wir gelesen, dass die heute gewaltig auf den Putz hauen werden. Auf ihrer Bilanzpressekonferenz wollen sie eine 'revolutionäre Neuentwicklung' vorstellen."
Schade um die viele Mühe mit dem Dechiffrieren, wenn das alles ist. Das hat mir Michael gestern schon erzählt.
"Stellt mal n-tv an, es müsste eigentlich gleich losgehen."
Mit der Fernbedienung stelle ich auf n-tv um, dort geht es im Morgenbericht von der Frankfurter Börse um die Frage, ob Frankfurt der Tendenz in Tokio folgen würde oder eher der Börse in Hongkong. Zu den Perspektiven am deutschen Markt verweist auch der n-tv Moderator unter anderem auf die Pressekonferenz von Alpha Pharmaceutics, die gleich beginnen dürfte. Das kleine Bild-im-Bild wird vergrößert, man sieht einen langen Tisch mit fünf oder sechs Namenschildern, darunter auch "Müller-Wohlgemuth, Leiter Forschung und Entwicklung", mein Anrufer von gestern Abend.
"Dann sehe ich ja mal, wie dieser Müller-Wohlgemuth aussieht."
"Das bezweifle ich", antwortet Celine.
"Wieso?"
"Weil der heute nacht entlassen worden ist. Das hat einen Großteil der E-Mails zwischen Alpha Pharmaceutics und ihrer deutschen Tochter ausgemacht."
In der Nacht vor der Vorstellung ihres neuen Marktrenners entlässt Alpha Pharmaceutics den Leiter ihrer Forschungsabteilung? Das ist schon eine Nachricht, meine ich, die direkt etwas mit uns beziehungsweise Frau Fröhlich zu tun haben könnte!
"Irgendwelche Begründungen für den Rausschmiss in den E-Mails?" frage ich Celine, die meinen Verdacht bestätigt.
"Es hat irgendetwas mit ihrem neuen Medikament zu tun. Aber was genau, haben wir bisher nicht gefunden. Wir bleiben dran!"
Fast unmittelbar nach Celines Anruf meldet sich Michael. Käthe und Renate haben inzwischen den Abwasch besorgt und langweilen sich. Herr Fröhlich ist mit Stinki im Intermediate-Zimmer und versucht den Hund zu überzeugen, dass er sich dort ungestraft erleichtern könne. Was Stinki, vorerst wenigstens, nicht kapiert.
"Stinki, lass es einfach raus. Es ist in Ordnung, hier kannst du es machen!"
Dazu massiert er Stinkis Leib, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Was wird Fröhlich noch anstellen, um Stinki von der ortsnahen Entschlackungs-Alternative zu überzeugen? Am Ende selbst in die Ecke vorpinkeln?
Michael jedenfalls hat von der Entlassung des Müller-Wohlgemuth nichts gehört und angeblich auch keine Vorstellung zu möglichen Gründen. Aber er kann mir erklären, warum Celine nichts zu MS 234 bei diesem Bundesinstitut findet.
"Alpha Pharmaceutics beantragt die Zulassung vorerst nur für Frankreich und Italien."
"Weil da nicht ganz so streng geprüft wird?"
"Felix, du steckst voller Vorurteile! Eine regional begrenzte Markteinführung ist nicht ungewöhnlich, Lebensmittelkonzerne machen das ähnlich. Mit überschaubarem Aufwand werden so die besten Marketing- und Werbestrategien getestet, bevor man sich auf ganz Europa stürzt."
Michael verspricht, Celine über die Zulassungsländer zu informieren. Seine Begründung für Frankreich und Italien klingt einleuchtend, denn nach allem, was man so liest, hat wenigstens in Sachen "Gefälligkeiten gegen Knete" die Angleichung der Verhältnisse im wirtschaftlich vereinigten Europa gut funktioniert, hätte man deshalb Deutschland nicht umgehen müssen.
Seine nächste Neuigkeit ist noch interessanter. "Ich habe auch etwas Neues zu den Blutspiegeln von MS 234 für dich."
"Sag bloß, noch jemanden außer Proband Nummer dreizehn mit zehnmal zu hohem Spiegel?"
"Nein, das nicht. Aber dieser Proband Nummer dreizehn ist echt auffällig. Er oder sie hat unmittelbar vor der zweiten Injektion fast noch genauso viel MS 234 im Blut wie direkt nach der ersten Dosis
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