Der Vierte Tag
vierzehn Tage davor."
Ich brauche einen Moment, um diese Mitteilung zu verdauen, frage erst einmal nach.
"Und die anderen Probanden?"
"Die zeigen zwei Wochen nach der ersten Injektion auch noch einen wirksamen Blutspiegel, aber an der unteren Grenze, im Schnitt fünf- bis sechsmal weniger als Proband dreizehn. Das Zeug soll ja über vierzehn Tage wirken, tut es also auch."
Langsam werde ich sauer.
"Michael, du sagst mir also, dass es da einen Probanden gab, der nicht in der Lage war, dieses MS 234 abzubauen."
"So sieht es aus", muss Michael zugeben.
"Und das sagst du mir heute, über zwölf Stunden nach unserem Telefonat von gestern Abend. Warum erst jetzt, mein Lieber?"
Ich höre, wie Michael tief Luft holt, und fürchte, dass er auflegt. Tut er aber nicht.
"Felix, du bist aktuell in einer angespannten Situation, alles klar, da hast du ein paar Fehlschüsse frei. Aber hör auf, mir irgendetwas zu unterstellen, hörst du? Die Sache ist ganz einfach. Ich habe unseren Computer im Datensatz zu MS 234 auf die Schnelle nur nach zu niedrigen oder zu hohen Blutspiegeln suchen lassen, deshalb hat er nur den zehnfach überhöhten Blutspiegel für Nummer dreizehn nach der zweiten Dosis ausgeworfen. Kapiert?"
Ich murmle etwas, was mit ein wenig gutem Willen am anderen Ende vielleicht als eine Art Entschuldigung durchgehen mag.
"Im Grunde", fährt Michael fort, "habe ich mich schon gestern Abend geärgert, dir das mit dem zehnfachen Blutspiegel gesagt zu haben, ohne nachzumessen. Du weißt, es gibt immer mal eine Fehlmessung, einen veralteten Testkit, falsch eingestellte Temperatur oder so etwas. Deshalb habe ich die Proben von Nummer dreizehn heute Nacht noch einmal laufen lassen, verstehst du? Du bist nicht der einzige, der nicht geschlafen hat!"
Jetzt entschuldige ich mich deutlicher und erwähne nicht, dass ich wenigstens zeitweise geschlafen habe. Wie ich Michael kenne, hat auch er nicht die ganze Zeit auf seine weitgehend automatisierte Analysestraße gestarrt, mein Mitleid hält sich in Grenzen. Außerdem interessiert mich etwas anderes.
"Das heißt, du hast noch Blut von den Testkandidaten?"
"Natürlich. Ist das übliche Vorgehen, Testseren eine Zeitlang einzufrieren. Im Falle von Nachfragen, zweifelhaften Befunden, Nachforderungen der Zulassungsbehörden und so."
Mit einem Auge bin ich bei n-tv, während Michael mir das erzählt. Der Moderator unterhält sich angeregt mit einem Gast, aber ich höre nicht zu, worum es den beiden geht. Im Hintergrund sieht man weiterhin als Bild im Bild diesen Konferenzraum mit dem leeren Tisch und den Namenschildern.
"Also könntest du von den Testkandidaten, insbesondere von Nummer dreizehn, auch die Leberwerte bestimmen?"
"Könnte ich, kein Problem. Aber diese Daten müsstest du doch aus eurem Kliniklabor bekommen, da werden die für die Tagesklinik routinemäßig bestimmt."
"Das ist mir bekannt, Michael. Aber es gibt dabei zwei Probleme. Erstens weiß ich nicht, wer dieser Proband Nummer dreizehn ist. Selbst wenn es wirklich um die Patientin geht, die ich meine, ist es mir trotzdem nicht gelungen, an diesen Teil der Daten aus unserem Labor zu kommen."
Namen lasse ich nach wie vor am Handy lieber unerwähnt, genau wie ich Michael gegenüber Celines elektronische Einbruchsversuche in unser Kliniklabor verschweige.
"In Ordnung", seufzt Michael. "Ich mache dir die Leberwerte. Wird aber ein bisschen dauern. Besondere Wünsche?"
"Keine besonderen Wünsche, Michael. Nur, dass du dich beeilst. Ich danke dir."
Unser Gespräch ist beendet. Wenn Proband Nummer dreizehn mit Frau Fröhlich identisch ist, sollte Michael bei Nummer dreizehn pathologisch erhöhte Leberwerte finden. Ich bin gespannt. Und ebenso gespannt bin ich, ob er mir das dann auch sagen wird. Einmal sind Geiseln pathologisch misstrauisch gegenüber der Außenwelt. Außerdem ist Müller-Wohlgemuth nach seinem Kontakt mit mir entlassen worden. Michael kann zwar nicht entlassen werden, möchte aber sicher nicht seinen wichtigen Kunden Alpha Pharmaceutics verlieren.
Ich stelle den Fernsehton etwas lauter, aber es geht noch immer nicht um den Pharmamarkt, sondern um die Weltweizenernte und deren Bedeutung für den Ölpreis. Schließlich erbarmt sich der Moderator meiner und erwähnt mit Blick auf den unveränderten Bildausschnitt im Hintergrund, dass die Bilanzpressekonferenz von Alpha Pharmaceutics um zirka eine halbe Stunde verschoben worden sei, den Grund hierfür kenne man nicht, sei aber sicher, dass sie
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