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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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gekommen, auch unangenehme Fragen irgendwie zu beantworten.
    "Sehr zu unserem Bedauern ist Herr Müller-Wohlgemuth leider verhindert. Nächste Frage bitte."
    Für diese Antwort bekommt der Aufsichtsratsvorsitzende von mir höchstens einen von fünf möglichen Punkten, hat er doch Grundsatz Nummer eins aus dem Handbuch zum Firmenimage verletzt: Unpersonen dürfen auf keinen Fall mehr namentlich genannt werden!
    Es folgen ein paar weitere Fragen. Bei einer muss ich grinsen.
    "Wie Sie wahrscheinlich gehört haben, hat es vorgestern Nacht einen Überfall auf eine Tierfarm gegeben, in der Versuchstiere auch für die pharmazeutische Industrie gezüchtet werden. Wird diese Aktion Ihre weitere Forschung beeinflussen? Und wie weit sind Sie, ohne Tierversuche auszukommen?"
    Dünnes Eis, erkennt der Herr Aufsichtsratsvorsitzende und schaut sich am Tisch um, welcher seiner Kollegen die Frage beantworten möchte. Sie bleibt an ihm hängen, dafür darf er schließlich in der Mitte sitzen. Also betont er, dass man selbstverständlich unentwegt daran arbeite, Tierversuche durch geeignete Alternativen zu ersetzen, aber dass ein großer Teil der Tierversuche immer noch von den Zulassungsbehörden gefordert würde, also nicht in die Verantwortung der pharmazeutischen Industrie falle.
    Dann gibt er die Frage an den jungen Dr. Salisch weiter, der weniger eloquent weitgehend das Gleiche sagt, und das Problem zusammenfasst: "Es ist einfach so, ein paar wenige Tiere müssen noch leiden für den Fortschritt."
    "Nicht nur Tiere!" bemerkt Herr Fröhlich bitter.
    Am Ende der Pressekonferenz ist der eingeblendete Kurs von Alpha Pharmaceutics auf 37,40 Euro geklettert, eine Zunahme von knapp fünf Prozent gegenüber dem Ausgangskurs. Das sind zwar nur einssiebzig pro Aktie, aber es sind rund fünfhundert Millionen Aktien von Alpha Pharmaceutics im Umlauf, so dass sich der Aktienwert der Firma in den letzten dreißig Minuten immerhin um fast eine Milliarde Euro erhöht hat.
    Man kann wohl von einer messbar erfolgreichen Pressekonferenz sprechen. Und Michael dürfte nicht der einzige sein, der schon seit einer Weile über das neue Produkt informiert und rechtzeitig auf den Zug bergauf gesprungen ist.
    So landet unser Gespräch bei Geld und bei der Börse und jeder von uns hat seine kleine Telekom-Geschichte und wie einfach es ist, seine Ersparnisse zu halbieren, zu vierteln oder ganz zu verlieren.
    "Wenn ich diesen Manfred Krug mal zu fassen bekomme, haue ich dem glatt in die Fresse", sagt Renate.
    Käthe drückt es etwas damenhafter aus, aber mit dem gleichen unerfreulichen Endresultat für den leutseligen Anlage-Empfehler mit der Halbglatze.
    Da Aktien offensichtlich nicht mehr der Hit sind, kommen verschiedene Theorien zur Sprache, wie man es vielleicht doch schaffen könnte, mit wenig Arbeit zu viel Geld zu kommen. Herr Fröhlich hält sich bei dieser Diskussion aus naheliegenden Gründen zurück, was ihm aber nichts nutzt.
    "Was werden Sie eigentlich mit der Million Euro anfangen?" interessiert sich Käthe.
    "Schulden habe ich genug", antwortet er zögernd, und es scheint, dass er sich hierzu noch keine Gedanken gemacht hat. "Und der Rest wäre ein gutes Startkapital, ohne bei den Banken betteln zu müssen."
    Aber natürlich ist das eine Illusion, kann Herr Fröhlich mit dem erpressten Geld weder seine Schulden bezahlen noch in Deutschland einen neuen Elektriker-Betrieb aufbauen. Wenn überhaupt, bleibt ihm vielleicht noch eine Chance irgendwo in Südamerika oder Afrika. Warum nicht? Ich stelle mir vor, Fröhlich und ich betreiben eine Strandbude auf den Bermudas, verkaufen selbstgemachte Eiskrem oder Brot in Dosen. Eigenartig, aber bei dieser Vorstellung ist Fröhlich mein Boss!
    "Ohne meine Frau ist sowieso alles sinnlos."
    Ich frage, ob wir uns in der Charité nach dem aktuellen Stand erkundigen sollen, aber Herr Fröhlich winkt ab, hat sich wohl auch in dieser Beziehung zu einem realistischen Standpunkt durchgerungen.
    Eines ist jetzt klar: Wir haben es mit einem Geiselnehmer zu tun, der alle Hoffnung hat fahren lassen, nichts Positives mehr erwartet. Das kann nicht gut sein für die Geiseln.
    Vorsichtig mache ich einen Vorschlag: "Was ist mit Käthe und Renate? Meinen Sie nicht, Sie könnten auf die beiden verzichten?"
    "Warum sollte ich?" fragt Fröhlich zurück.
    Jedoch nicht provokativ, eher, als wäre ihm diese Idee auch schon gekommen, suche er aber noch Argumente für ihre Ausführung. Widerstand kommt aus einer unerwarteten

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