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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Testsubstanz zehnfach überdosiert worden ist?"
    "Kollege Hoffmann, haben Sie noch nie eine falsche Dosis gegeben? Oder wenigstens angeordnet? Sollte ich wegen eines blöden Fehlers irgendeines Mitarbeiters den medizinischen Fortschritt aufhalten? Außerdem kann ich Ihnen versichern: Die Substanz macht keine Probleme, auch nicht bei zehnfacher Überdosierung."
    Ich habe immer noch Probleme damit, einen Schlankmacher als bedeutenden medizinischen Forschritt einzustufen, sage aber dazu nichts. Denn Zentis würde mir nur wieder mit dem Thema Übergewicht und dessen gesundheitlichen Folgeproblemen kommen, den Begriff Lifestyle-Droge sicher weit von sich weisen. Etwas anderes ist mir weit wichtiger.
    "Überdosiert oder nicht, ihr hättet die zweite Dosis gar nicht geben dürfen! Frau Fröhlich hatte schon nach der ersten Testdosis extrem hohe Leberwerte."
    "Woher wissen Sie das?"
    Ich bleibe Zentis die Antwort schuldig, er ist jetzt hörbar erregt.
    "Das hat aber nichts mit MS 234 zu tun, gar nichts, verstehen Sie, Hoffmann! Woher sollten wir ahnen, dass sich die Frau zwischen den beiden Tests die Leber wegsäuft? Aber das ist immer so, das ist das Risiko mit diesen Pharmahuren! Es hat nie ein Problem mit der Leber gegeben mit MS 234, weder bei uns noch sonst wo auf der Welt! Diese Frau hat uns fast die ganze Serie kaputt gemacht. Das kann ich doch nicht zulassen!"
    Das meiste von dem, was Zentis mir da erzählt, weiß ich schon. Aber wichtig ist, dass er zugegeben hat, die Ergebnisse von Proband Nummer dreizehn nicht weitergegeben zu haben. Und, noch wichtiger, er hat bestätigt, dass Proband Nummer dreizehn tatsächlich Frau Fröhlich war. Langsam ergibt die Geschichte einen Sinn. Aber ein unbedeutendes Detail habe ich noch für ihn.
    "Weißt du, was ich interessant finde, Manfred? Die wahnsinnige Kapazitätssteigerung, die du in deiner Tagesklinik geschafft hast. Unglaublich, wie ihr in den sechs Probandenzimmern im Juni hundertzwanzig Testkandidaten durchgetestet habt!"
    Ich hatte mir die Daten aus dem deutschen Institut, das angeblich hundertzwanzig Probanden mit MS 234 getestet hatte, sehr gründlich angeschaut. Es war nicht schwer, zu finden, dass die Werte von jeweils zehn Probanden eng beieinander lagen, in der Regel nur hinter dem Komma differierten. Zentis hat einfach das System Herrmann perfektioniert und kommerzialisiert. Wo es in den neunziger Jahren Dr. Herrmann darum gegangen war, durch eine wundersame Vermehrung angeblich behandelter Krebspatienten eine wissenschaftliche Idee durchzusetzen und seine wissenschaftliche Reputation zu mehren, vermehrt Zentis jetzt die Probanden der Tagesklinik mit dem Faktor zehn, kassiert so von seinen Auftraggebern für jeden wirklich getesteten Probanden zehnmal. Deshalb, das ist mir jetzt klar, konnte er weder die Probleme mit den Leberwerten noch die zehnfache Überdosierung an Alpha Pharmaceutics weitermelden, und erst recht nicht das Leberkoma. Das hätte zu einer genauen Untersuchung sämtlicher Unterlagen geführt, Alpha Pharmaceutics hätte ihre Leute geschickt, und selbst wenn Zentis mit viel Fleiß über hundert gefälschte Prüfprotokolle produziert hätte, wäre den Leuten ziemlich schnell aufgefallen, dass in unserer Tagesklinik schon aufgrund der räumlichen Voraussetzungen in der kurzen Zeit nie hundertzwanzig Probanden hätten untersucht werden können.
    Also sollte Frau Fröhlich im Leberkoma sterben, und als das nicht von selbst schnell genug ging, sollten die Maschinen abgestellt werden. Ich kann es kaum fassen. Wo ich bereit war, an die Verschwörung eines per definitionem bösen Pharmamultis zu glauben, der sogar den eigenen Forschungsleiter umbringen lässt, steckt mein Zehnkämpfer-Kollege aus alten und neuen Tagen dahinter, der schon seinen Facharzt nur durch Betrug erreicht hat.
    Das alles sage ich Zentis nicht, brauche es ihm nicht zu sagen. Er geht nicht auf meinen Vorwurf ein, bestreitet ihn aber auch nicht.
    "Was immer Sie zu wissen glauben, Hoffmann, ich kann nur wiederholen, wie sehr die gesamte Humana-Klinik auf die Einnahmen aus der Tagesklinik angewiesen ist. Und dass Sie unbedingt an den Ruf der Humana-Klinik denken müssen, denn in der öffentlichen Wahrnehmung wird die Tagesklinik mit der gesamten Humana-Klinik gleichgesetzt. Außerdem, es ist immer leicht, irgendwelche Vermutungen anzustellen. Aber bevor man diese Vermutungen verbreitet, sollte man sie auch hieb- und stichfest beweisen können."
    Ich beende das Gespräch. Ich glaube,

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