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Der Vierte Tag

Der Vierte Tag

Titel: Der Vierte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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schlauer als vorher.
    "Es geht immer nur um Geld, oder?"
    Herr Fröhlich hat währenddessen in medizinischen Zeitschriften geblättert. Hat er einen Artikel über Hautkrebs gefunden? Oder über eine andere Krankheit, deren Symptome er nun deutlich spürt? Er schiebt mir das "Deutsche Ärzteblatt" herüber, jetzt verstehe ich seine Bemerkung. Er hat einiges markiert: "Krankenhausmarkt", "Leistungsverdichtung", "klinikadäquates Controlling", "Produktivitätsfortschritte". Am besten gefallen mir die Produktivitätsfortschritte. Es geht hier nicht um die effektivere Produktion von Arzneimitteln oder Röntgengeräten, sondern um die Arbeit im Krankenhaus: wie viel Umsatz kann mit wie wenig Personal erreicht werden. Schluss mit dem Unfug, dass sich eine Schwester oder ein Arzt an das Bett eines Patienten setzt, den Sorgen zuhört oder einen Witz erzählt oder die Hand hält. Denn der Autor erklärt, wozu das führt: "Bei negativen Kostendeckungsbeiträgen muss sofort auf die Bremse getreten und das Angebot und die Leistungserstellung müssen unternehmenszielgenau geändert werden."
    Ich schiebe das "Deutsche Ärzteblatt" zur Seite, sicher, dass dies nicht die Denkungsart meiner Kollegen ist. Aber leider ebenso sicher, dass der Druck, sich dieser Denkungsart anzupassen, weiter zunehmen wird. Vielleicht kommt es wirklich so weit, dass zwei Semester Wirtschaftswissenschaft Pflicht im Medizinstudium werden.
    "Interessiert es Sie denn nicht, was ich in den Untersuchungsdaten gefunden habe?"
    Fröhlich zuckt wieder nur müde mit den Schultern: "Ich wette, meine Frau haben Sie nicht in den Daten gefunden."
    "Richtig. Ein anderer Punkt gibt mir mehr zu denken. Es sind sehr viele Leute getestet worden, aber bei keinem Probanden hat dieses MS 234 zu einer Erhöhung der Leberwerte geführt, nicht einmal kurzfristig. Und in den Tierversuchen hat das Zeug selbst bei hoher Überdosierung nicht zu Leberschäden geführt."
    Vorgestern noch hätte Fröhlich wütend reagiert, wären meine Bemerkungen wahrscheinlich gefährlich für mich gewesen. Heute mustert er mich nur matt.
    "Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, was Sie meiner Frau unterstellen. Ich bin das hundertmal mit Ihrem Chefarzt durchgegangen. Nein, wir haben keine Pilze gegessen. Nein, meine Frau trinkt nicht. Und Methylalkohol schon gar nicht."
    "Aber verstehen Sie, Herr Fröhlich, es ist kaum wahrscheinlich, dass alle Untersuchungsinstitute die Daten gefälscht oder schlechte Ergebnisse nicht gemeldet haben. Warum sollten sie? Soweit ich es beurteilen kann, ist sorgfältig gearbeitet worden, und in allen Labors nach dem gleichen Protokoll. Nicht nur, was die Dosierung und den Zeitpunkt der Blutkontrollen betrifft, auch die äußeren Bedingungen waren identisch. Um dies sicherzustellen, waren zum Beispiel überall die zwei stationären Untersuchungstage vorgeschrieben."
    "Zwei Tage?" fragt Fröhlich.
    Verdammt! Ich könnte mir die Zunge abbeißen! Das mit den Untersuchungstagen hatten wir doch schon letzte Nacht. Ich mache einen Rettungsversuch.
    "Genauer gesagt, schreibt das Prüfprotokoll achtundvierzig Stunden vor, da können leicht drei Tage draus werden, ein Tag und zwei halbe, je nachdem, wann man die Untersuchung beginnt."
    "Aber meine Frau war für die erste Testdosis vier Tage weg!"
    "Ist gut möglich, Herr Fröhlich", versuche ich es betont locker. "Vielleicht haben die irgendeine Abnahme vergessen, oder eine Analysemaschine lief nicht, also wurde einfach noch ein Tag angehängt. So etwas kommt vor."
    "Sparen Sie sich die Mühe, Dr. Hoffmann. Denn so war es nicht. Meine Frau hat mir schon vor dem Test gesagt, dass sie für vier Tage zu ihrer Schwester fahren würde."
    Dann wird sie wohl doch noch ihrer Schwester geholfen haben oder wollte einfach einen Tag ausspannen, versuche ich es. Und, dass dieser eine Tag jetzt doch sowieso nicht mehr wichtig sei.
    Aber Fröhlich tippt schon aufgeregt eine Nummer in sein Handy. Seine Schwägerin redet so laut auf ihn ein, dass ich problemlos mithören kann. Natürlich geht es ihr zuerst um die Geiselnahme, er hätte doch sein Ziel erreicht, solle nun endlich aufhören, alles würde gut werden. Aber was Fröhlichs eigentliche Frage angeht, kommt ein eindeutiges Nein.
    "Ich weiß, ich sollte dir damals sagen, Ingrid wäre bei mir. Aber das war sie nicht, sie war bei diesem verfluchten Test, das hat sie dir ja inzwischen erzählt. Es ist traurig, aber ich habe Ingrid zuletzt im Frühjahr gesehen, als ich bei euch zu Besuch war. Und

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