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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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gut.«
    »Welchen Faden?«
    »Den Faden, an dem das Flugzeug hängt«, erklärte Adamsberg und drückte Daumen und Zeigefinger zusammen.
    Adamsberg nickte, um sein Versprechen zu besiegeln, und entfernte sich. Danglard fragte sich, ob der Kommissar sich über ihn lustig machte. Aber er schien ernst, als dächte er wirklich, daß er die Fäden von Flugzeugen hielte und ihren Absturz so verhinderte. Danglard faßte nach seiner Bommel, die seit dieser Nacht ein tröstlicher Anhaltspunkt geworden war. Und merkwürdigerweise konnte ihn der Gedanke an diesen Faden und an Adamsberg, der ihn hielt, ein wenig beruhigen.
     
    An der Straßenecke gab es ein großes Lokal, in dem die Atmosphäre gut und das Essen schlecht war, während gegenüber ein kleines Café lag, in dem das Ambiente schlecht, aber das Essen gut war. Diese ziemlich gewichtige existentielle Entscheidung drängte sich beinahe täglich den Mitgliedern der Brigade auf, die zwischen der Befriedigung ihres Gaumens in einem dunklen, schlecht geheizten Raum und der Gemütlichkeit des alten Lokals schwankten, das zwar noch seine Bänke aus den dreißiger Jahren besaß, aber dafür einen miserablen Küchenchef engagiert hatte. Heute siegte die Heizungsfrage über jede andere Erwägung, und etwa zwanzig Beamte strebten auf das Restaurant zu. Es trug den Namen Brasserie der Philosophen, was etwas unpassend war, wenn man bedachte, daß pro Tag an die sechzig Bullen dort einkehrten, die sich in der Mehrheit für große Ideen wenig interessierten. Adamsberg sah, in welche Richtung der Strom seiner Männer lief, und bog zu dem schlecht geheizten Bistro ab, genannt Das Gebüsch. Er hatte seit vierundzwanzig Stunden kaum etwas gegessen, da er sein irisches Gericht ja dem Fauchen des Sturms hatte überlassen müssen.
     
    Während er das Tagesmenü zu Ende aß, holte er die Zeitungsseite heraus, die knittrig in seiner Innentasche lag, und faltete sie auf der Tischdecke auseinander, angezogen von diesem Mord in Schiltigheim, der den Sturm in ihm ausgelöst hatte. Das Opfer, Elisabeth Wind, zweiundzwanzig Jahre alt, war vermutlich gegen Mitternacht ermordet worden, während sie mit dem Fahrrad von Schiltigheim in ihr drei Kilometer entferntes Dorf fuhr, ein Weg, den sie jeden Samstagabend zurücklegte. Ihre Leiche war im Gestrüpp ungefähr zehn Meter neben der Kantonsstraße gefunden worden. Erste Ermittlungen ergaben eine Schädelprellung und drei Einstiche im Bauch, die zum Tod geführt hatten. Das Mädchen war weder vergewaltigt noch ausgezogen worden. Ein Verdächtiger war gleich darauf in Polizeigewahrsam genommen worden, Bernard Vétilleux, achtunddreißig Jahre alt, alleinstehend und ohne festen Wohnsitz, den man vollkommen betrunken und schlafend am Straßenrand gefunden hatte, fünfhundert Meter vom Tatort entfernt. Die Polizei versicherte, einen belastenden Beweis gegen Vétilleux in Händen zu haben, wohingegen der Mann seinen eigenen Angaben zufolge keinerlei Erinnerung an die Mordnacht hatte.
    Adamsberg las sich den Artikel zweimal durch. Er schüttelte langsam den Kopf, während er auf den von drei Löchern durchbohrten hellblauen Pullover starrte. Unmöglich, da gab es keinen Zweifel. Er mußte es besser wissen als jeder andere. Er strich das Zeitungspapier glatt, zögerte, dann holte er sein Mobiltelefon heraus.
    »Danglard?«
    Sein Stellvertreter meldete sich mit vollem Mund aus den Philosophen.
    »Den Commandant der Gendarmerie von Schiltigheim, im Département Niederrhein, könnten Sie mir den herausfinden?«
    Danglard wußte die Namen der Kommissare in sämtlichen Städten Frankreichs aus dem Gedächtnis, aber bei der Provinzgendarmerie kannte er sich weniger gut aus.
    »Ist es genauso dringend wie die Identifizierung von Neptun?«
    »Nicht ganz, aber sagen wir, es gehört zur selben Kategorie.«
    »Ich rufe Sie in einer Viertelstunde zurück.«
    »Vergessen Sie in Ihrem Eifer nicht, den Heizungsmonteur anzutreiben.«
    Adamsberg trank gerade seinen doppelten Espresso – viel dünner als der aus der Nährkuh in der Brigade –, als sein Stellvertreter zurückrief.
    »Commandant Thierry Trabelmann. Haben Sie was, um seine Nummer zu notieren?«
    Adamsberg schrieb sie auf die Papiertischdecke. Er wartete, bis die alte Standuhr vom Gebüsch zwei Uhr schlug, dann rief er die Gendarmerie von Schiltigheim an. Commandant Trabelmann zeigte sich verhältnismäßig reserviert. Er hatte schon von Kommissar Adamsberg gehört, Gutes wie Schlechtes, und war unschlüssig,

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