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Der vierzehnte Stein

Der vierzehnte Stein

Titel: Der vierzehnte Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Adamsberg. Die Mitglieder der Brigade erstarrten vor Schreck und sahen auf den Brigadier, der es wagte, seine Waffe auf den Kommissar zu richten. Auch ihren Kommissar starrten sie an, bei dem sie in einem ganzen Jahr nur zwei spontane Wutausbrüche erlebt hatten, die genauso schnell wieder erloschen, wie sie entflammt waren. Jeder suchte sofort nach einer Möglichkeit, die Auseinandersetzung zu beenden, jeder hoffte, daß Adamsberg zu seinem gewohnten Gleichmut zurückfände, die Flasche fallen ließe und sich schulterzuckend entfernte.
    »Nimm deine Scheißwaffe runter, blöder Bulle«, sagte Adamsberg.
    Verächtlich schmiß Favre den Revolver weg, und Adamsberg senkte die Flasche ein Stück. Er spürte, daß dieser Ausbruch etwas Unangemessenes, ja sicher sogar Groteskes hatte, und wußte nicht einmal, wer von ihnen beiden, Favre oder er, hier den Sieg davontrug. Seine Finger lockerten sich. Der Brigadier richtete sich vollends auf, und in einem plötzlichen Wutanfall schleuderte er den splittrigen Flaschenboden von sich, der sauber wie eine Klinge in Adamsbergs linken Arm schnitt.
    Favre wurde auf einen Stuhl gezerrt, wo man ihn festhielt. In Erwartung einer Entscheidung angesichts dieser neuartigen Situation wandten sich alle Gesichter dem Kommissar zu. Mit einer Geste hielt Adamsberg Estalère zurück, der schon den Telefonhörer abnahm.
    »Ist nicht tief, Estalère«, sagte er mit wieder ruhiger Stimme, wobei er den angewinkelten Arm an seinen Oberkörper drückte. »Sagen Sie unserem Gerichtsmediziner Bescheid, er wird das schon machen.«
    Er gab Mordent ein Zeichen und hielt ihm die halbzerschmetterte Flasche hin.
    » I n eine Plastiktüte damit, Mordent. Beweisstück meiner Gewalttätigkeit. Einschüchterungsversuch eines meiner Untergebenen. Sammeln Sie seine Magnum und den Flaschenboden ein, Beweis seiner Aggression, wenn auch ohne die Absicht zu …«
    Adamsberg fuhr sich durchs Haar und suchte nach dem passenden Wort.
    »Doch!« brüllte Favre.
    »Halt’s Maul«, schrie ihn Noël an. »Mach’s nicht noch schlimmer, hast schon genug Schaden angerichtet.«
    Adamsberg warf ihm einen erstaunten Blick zu. Für gewöhnlich sekundierte Noël die dreckigen Witze seines Kollegen mit einem Lächeln. Aber nun hatte sich ein Riß aufgetan zwischen Noëls Gefälligkeit und Favres Brutalität.
    »Ohne die Absicht schwerer Beeinträchtigung«, fuhr Adamsberg fort, wobei er Justin ein Zeichen gab, mitzuschreiben. »Ursache des Streits: beleidigende Äußerungen des Brigadier Joseph Favre gegenüber Lieutenant Violette Retancourt sowie Diffamierung derselben.«
    Adamsberg sah auf, um die Beamten zu zählen, die im Raum versammelt waren.
    »Zwölf Zeugen«, fügte er hinzu.
    Voisenet hatte ihn veranlaßt, sich zu setzen, seinen linken Arm freigemacht und leistete Erste Hilfe.
    »Fortentwicklung des Streits«, fuhr Adamsberg mit müder Stimme fort, »Sanktion seitens des Vorgesetzten in Form materieller Gewalt und Einschüchterung, ohne tätlichen Angriff auf Brigadier Favre noch Bedrohung seiner körperlichen Unversehrtheit.«
    Adamsberg biß die Zähne zusammen, während Voisenet ihm einen Wattebausch auf den Arm drückte, um die Blutung zu stillen.
    »Gebrauch der Dienstwaffe und eines scharfen Utensils seitens des Brigadier, geringfügige Verwundung durch Glasscherbe. Alles weitere wissen Sie, schreiben Sie den Bericht ohne mich zu Ende, und schicken Sie ihn an die Polizei der Polizei. Vergessen Sie nicht, den Raum in diesem Zustand zu fotografieren.«
    Justin stand auf und ging auf den Kommissar zu.
    »Und was machen wir mit der Weinflasche?« murmelte er.
    »Sagen wir, daß Sie sie aus Danglards Tasche geholt haben?«
    »Wir sagen, daß ich sie vom Tisch genommen habe.«
    »Und der Grund für die Anwesenheit einer Flasche Weißwein in unseren Räumlichkeiten, um halb vier nachmittags?«
    »Ein kleiner Umtrunk zur Mittagszeit«, schlug Adamsberg vor, »um auf die Reise nach Quebec anzustoßen.«
    »Ja«, sagte Justin erleichtert. »Sehr gute Idee.«
    »Und Favre? Was machen wir mit dem?« fragte Noël.
    »Wird suspendiert und die Waffe einbehalten. Soll der Richter entscheiden, ob es Angriff oder Notwehr war. Werden wir sehen, wenn ich zurück bin.«
    Adamsberg stand auf und stützte sich auf Voisenets Arm.
    »Passen Sie bloß auf«, sagte der, »Sie haben viel Blut verloren.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Voisenet, ich schau gleich beim Gerichtsmediziner vorbei.«
    Von Danglard gestützt, verließ er die

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