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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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elektrischen Kuss in lockerer Runde, wurde 1780 klar. 35 Jahre zuvor war mit der Leydener Flasche ein erster Kondensator, der über einen kurzen Zeitraum hinweg Strom speichern konnte, erfunden worden. Als der italienische Arzt Luigi Galvani den später »Galvanismus« genannten Effekt entdeckte, standen somit bereits verschiedene Stromquellen bereit, um vertiefende Experimente durchzuführen.
    Zunächst aber erkannte Galvani gar nicht, womit er es wirklich zu tun hatte. Am 6. November 1780 brachte er mittels zweier Kontakte aus unterschiedlichen Metallen ein abgetrenntes Froschbein zum Zucken. Galvani glaubte darum, dass die dem Zucken zugrundeliegende Energie nichts anderes sei als die dem Tier selbst innewohnende Elektrizität – eine Stromquelle hatte er schließlich nicht angeschlossen.
    Wir verstehen heute, dass es die Versuchsanordnung selbst ist, die diesen galvanischen Effekt erzeugt: Galvani hatte quasi eine aus Froschteilen und verschiedenen Metallen bestehende primitive Batterie gebaut: Er hatte Kupfer und Eisen miteinander verdrahtet und als Elektrolyt die salzhaltigen Wasserbestandteile der Froschschenkel-Zellen dazwischengesetzt – ein zwar bizarrer Aufbau, prinzipiell aber nicht viel anders als unsere heutigen Batterien. Weil diese dem gleichen Funktionsprinzip folgen, nennt man sie »galvanisch«.
    Zunächst aber wurde dieser Begriff mit ganz anderen Dingen verbunden: Als Galvanismus bezeichnete man von da ab die angeblich von »tierischer Elektrizität« erzeugten Zuckungen, kurze Zeit später generell die durch Elektrizität verursachten »Lebensäußerungen« toten Muskelgewebes.
    Schon sehr bald muss Galvani klargeworden sein, dass er mit einer Elektrisiermaschine noch deutlichere Effekte erzielen konnte. So brachte er nicht nur abgetrennte Froschbeine zum Zucken (zum Leidwesen vieler Frösche über Jahrzehnte das Standard-Messinstrument zum Anzeigen elektrischer Energie), sondern danach so ziemlich alles, was irgendwie zuckfähig erschien. Galvanis Experimente brachten außerdem umgehend eine weltweite Diskussion in Gang. Hatte man hier mit der mysteriösen elektrischen Energie die seit dem Altertum gesuchte Lebensenergie gefunden, die das unbeseelte Material mit Leben erfüllt? Und ist das, was vermeintlich tot scheint, auch wirklich tot, wenn man ihm mit Elektrizität doch wieder Lebensäußerungen entlocken kann? Bereits in den 150 Jahren davor hatten sich auch Naturwissenschaftler immer häufiger mit Elektrizität beschäftigt. Jetzt aber rückte die geheimnisvolle Energie in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen wie öffentlichen Interesses.
    In den drei Jahrzehnten, die auf Galvanis Froschschenkel folgten, ließ man es nach Kräften zucken: Experimentelle wie öffentliche, wenn auch nur scheinbare, auf einzelne Körperteile beschränkte Leichen-Wiederbelebungen wurden zum Massenphänomen. So mancher Forscher hoffte, dem Geheimnis der Lebensenergie mit Stromstößen und Lidzuckungen im Leichenschauhaus näherkommen zu können. Nicht wenigen ging es dabei um weit mehr als nur die Erforschung physikalischer Mechanismen. Sie versuchten tatsächlich, Leichen wiederzuerwecken.
    Cartoon »Eine galvanisierte Leiche« (1836): Mischung aus Faszination und Horror
    Forscher und Ärzte, wie der vom Galvanismus besessene Schotte James Lind, wurden zum Prototypen für den von Ehrgeiz und Größenwahn zerfressenen Arzt Viktor Frankenstein, den die Schriftstellerin Mary Shelley 1818 erfand. Ihr Gatte Percy Shelley ging einst bei James Lind in die Lehre, und ihr bis heute weltberühmter Roman ist der wohl bekannteste literarische Niederschlag jener Zeit der Galvanismus-Experimente.
    Shelley lässt ihren Arzt im dritten Kapitel von Frankenstein oder der neue Prometheus davon berichten, wie er mit Erkenntnissen über Elektrizität konfrontiert wurde, die ihn von seinen herkömmlichen Studien abbrachten und einen neuen Weg einschlagen ließen. Wie genau Viktor Frankenstein seine Kreatur dann zum Leben erweckt, lässt Shelley geschickt im Verborgenen. Doch egal wie diffus ihre Beschreibung, allein die erste Lebenssekunde der wiederbelebten, aus Toten montierten Kreatur lässt wenig Zweifel daran, welche Kräfte hier am Werk sind. Viktor Frankenstein selbst schildert die Szene im Buch so:
    Es war in einer trostlosen Novembernacht, als ich den Lohn meiner Mühen erlebte. Mit einer Erregung, die an Qualen grenzte, arrangierte ich die Instrumente des Lebens um mich herum, auf dass ich einen Funken Leben in

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