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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
Autoren: Frank Patalong
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rapide zu Tatsachen, die Geschäftsabläufe verändern, Hunderte von Meilen voneinander entfernte Städte näher zusammenrücken und sogar die Träume von Edward Bellamy wahr werden lassen.«
    »Sogar«? Aber sicher: Dass das Telefon auch dem ganz normalen Anwender Freude bringen könnte, schien unter all den revolutionären Veränderungen durchaus einer der wichtigsten Aspekte. Für den Times-Autor war es aber vor allem die Kombination von Telefon und Lautsprecher, die Großes verhieß. Vielleicht schon in einem Jahr, schwärmte er, könne man die Reden berühmter Intellektueller zeitgleich an vielen öffentlichen Orten hören, so wie man sicher auch Konzertübertragungen dazu nutzen werde, abendliche Bälle überall im Land zu beschallen – der Mann beschrieb eine Art Radio-DJ-Service für Partys. Und die Siechenden im Krankenhaus hätten schon bald die Wahl, sich an aufmunternden geistlichen Programmen oder tröstlicher Musik zu erbauen.
    Auch der Phonograph werde bei der Übertragung von Musik und anderer Dinge »eine große Rolle spielen«, prophezeite der anonyme Autor hellsichtig und richtig. Dann werde selbst der Tod eines großen Musikers nicht mehr zwangsläufig dazu führen, dass dessen Werke verhallen. Kein Zweifel: Der aus damaliger Perspektive so abrupte Technologie-Umbruch versetzte den vergeblich um Sachlichkeit bemühten Autoren der seriösen, einflussreichen Zeitung in eine rauschhafte Euphorie bis über die Pathosgrenze.
    Und in Europa? Dort kündigte im August 1889 eine neue, in Paris gegründete Firma auf der dortigen Weltausstellung an, den Parisern schon bald kräftig etwas für die Ohren zu bieten. Die Technik der Firma basierte auf dem verbesserten und nun mit einem Kunden-Empfangsgerät erweiterten Musikzimmer-Aufbau des Erfinders Clément Ader, der damit bereits 1881 in den Schlagzeilen war: Der Franzose hatte speziell für die Musikübertragungen ein verbessertes Kohlegrießmikrofon entwickelt, das den Edison-Modellen der Bell-Telefone deutlich überlegen war.
    Jenes »Théâtrophone« nahm im Sommer 1890 tatsächlich pünktlich seinen kommerziellen Betrieb auf. Was es seinen Abonnenten, die mit einer eigenen Theatrofon-Box ausgestattet wurden, bot, war spektakulär: Von Beginn an konnte der Kunde zwischen verschiedenen, parallel übertragenen Bühnenereignissen wählen. Es war der Beginn einer bis 1932 anhaltenden, erst durch das Radio beendeten Erfolgsgeschichte.
    Bis dahin aber blieb das Telefon in einer wachsenden Zahl von Metropolen und später sogar kleineren Städten genau das: eine Art Kabel-Radio.
    Und zwar mit wachsendem Programmangebot. Abends gab es Übertragungen von den Bühnen der Stadt, während tagsüber elektrische Walzen-Pianos erbauliche Melodien klimperten. Schon bald baute man das Angebot zudem mit Nachrichten-Bulletins aus, mit denen man zunächst die Theaterpausen füllte, bald aber zu festen Zeiten die Nachrichtenfans versorgte.
    Das Theatrofon demonstrierte somit auch das Potenzial von Telefonzeitungen, wie sie schon bald entstehen sollten. Beim berühmten Telefon Hirmondó, das 1893 von Tivadar Puskás in Budapest begründet wurde und mit seiner Programmvielfalt neue Maßstäbe setzte, begannen sich die Gewichtungen zwischen Entertainment und informatorischen Angeboten erstmals merklich zu verändern. Hirmondó schaffte es bis in die 1920er Jahre, mit News und Börsennachrichten, Konzerten und Musik-, aber auch Bildungsangeboten zahlreiche Kunden zu finden, bevor es am Ende seine Ausstrahlungen vom Kabel auf den Äther verlagerte.
    Theatrofon-Box: Die Erfindung von music on demand mit Münzeinwurf. Neben Heimanlagen wurden auch öffentliche Boxen vermarktet – ein genial flexibles Konzept, das zumindest ab und zu Musikgenuss auch in weniger vermögenden Kreise ermöglichte
    Wirtschaftlich gesehen agierte das Pariser Theatrofon jedoch pragmatischer als Hirmondó: Clément Ader hatte seine Theatrofon-Box als Münzapparat konzipiert, was eine Nutzung sowohl im eigenen Haus als auch im öffentlichen Raum ermöglichte. Vor allem aber hatte der Kunde das Gefühl, wirklich nur für das zu zahlen, was er konsumierte: Der Münzeinwurf setzte einen Uhr-Mechanismus in Gang, der den Apparat für eine gesetzte Zeit freischaltete. Hirmondó hingegen verlangte eine monatliche Abo-Gebühr. Der Wettbewerb zwischen diesen beiden Grundkonzepten besteht auch heute noch bei Musik-Internetdiensten.
    Die neuen Telefon-Entertainmentdienste waren nicht billig, jedoch immer noch
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