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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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lieben Klarheit willen: Sie machten das Telefon damit also zur elektrischen Haussprechanlage, nicht mehr und nicht weniger. Telefoniert wurde hausintern, zwischen Räumen oder um die Dienerschaft mit konkreten Anordnungen einzudecken, statt sie herbeiklingeln zu müssen und dann erst mit einer Aufgabe auf den Weg schicken zu können. Die gleiche Aufgabe hatten in reichen Häusern des viktorianischen England zuvor Messing-Rohrsysteme erfüllt, in die man einfach hineinpfiff und dann seine Nachrichten brüllte – nicht besonders gentleman-und ladylike, aber sehr nah am ursprünglichen Telefon-Verständnis des Elard Romershausen.
    Die Idee der hausinternen Kommunikation fand einige Beachtung, die zeitgenössische Presse berichtete ausgiebig über dieses höchst nützliche Konzept. Das war endlich einzusehen! Jede neue Erfindung braucht eben ihr Alleinstellungsmerkmal, ihren sogenannten USP (Unique Selling Proposition), wie das auf Betriebswirtschafts-Deutsch heißt: Etwas, das die Erfindung zu etwas Besonderem macht, das alles andere auf dem Markt nicht bieten kann. Technik verkauft sich dann, wenn sie nützlich ist, besser noch, wenn sie chic, prestigeträchtig oder unterhaltsam ist.
    Wasserfahrräder wurden in Frankreich, Deutschland, den USA und anderen Ländern entwickelt – die Lösungen, zu denen man kam, ähnelten sich auffallend
    Was im Falle des Telefons als Killer-Verkaufsargument in Frage kommen könnte, war findigen Geschäftsleuten und kreativen Erfindern längst klar, bevor Bell die ersten Telefonleitungen legen ließ und seine Apparate zu verkaufen begann: Musik.

Wieso reden? Das Telefon als Früh-Radio
    Bereits Philipp Reis hatte bei seinen frühen Telefonexperimenten ab 1858 festgestellt, dass modulierte Töne, am besten bekannte Melodien, viel leichter zu übertragen und zu verstehen waren als Sprache. Jahre bevor er 1863 den historischen, vorbildlich unpathetischen Satz »Das Pferd frisst keinen Gurkensalat« als erste überlieferte Äußerung per Telefon an die nicht nur deshalb staunenden Mitglieder des Frankfurter Physikalischen Vereins übermittelte, pfiff und sang er so erfolgreich in sein Mikro, dass die Melodien am anderen Ende recht zuverlässig erkannt werden konnten. Kurzum: Das Telefon schien besser zur Übertragung von Musik geeignet als von Sprache.
    Dazu kam, dass man sich den damit verbundenen Business Case, wie man heute sagen würde, viel leichter vorstellen konnte. Warum sollte man sich für ein Heidengeld ein Telefon installieren lassen, wenn Freunde, Bekannte und Verwandte keines hatten? Wen sollte man anrufen? Das Militär, um mal zu hören, wie die Kabelverlegung in Feld, Wald, Wiese und Wasser läuft? Die Polizei, die Telefone – zum Beispiel in Chicago – zunehmend als internes Alarmsystem nutzte? Das Telegrafenamt, um telefonisch ein Telegramm aufzugeben? Wohl kaum!
    Vorstellen konnte man sich dagegen durchaus, dass Kunden Geld bezahlen würden, um per Fernsprechapparat eine Opernaufführung mitzuhören. Und das sowohl in öffentlichen Musikräumen, wie sie auch Edward Bellamy in seiner Zukunftsvision Looking Backward geschildert hatte, als auch in Form einer regelmäßigen, zahlungspflichtigen Dienstleistung: Mit das erste Geschäftsmodell, das den Telefon-Entwicklern einfiel, war also das von Napster und iTunes – Online-Musikdienste gegen Zahlung, wenn man so will. Noch bevor die ersten Fernsprechnetze entstanden, begannen Ingenieure bereits daran zu arbeiten, das Telefon zum Musik-Vertriebsmedium der Zukunft zu machen.
    Bereits 1878 berichtete das Bulletin de la Société d’ Encouragement über Verbesserungen am sogenannten »singenden Kondensator«, mit dem die Wiedergabe musikalischer Töne durch das Telefon verbessert und verstärkt werden sollte. In den folgenden Jahren wurden Telefon-Musikräume zu den meistbestaunten und meistgenutzten Attraktionen der überall stattfindenden Elektrizitätsausstellungen und -messen. Die nötige Technik, das ausgehende Telefonsignal zu splitten und zeitparallel an mehrere Telefone zu verteilen, stand längst bereit. Spätestens ab 1880 war die telefonische Musikshow fester Bestandteil jeder größeren Elektrizitätsmesse.
    Öffentliche Musik-per-Telefon-Demonstration: Eine Technik, die sofort begeisterte – und das Telefon zu einer Art Kabel-Radio machte
    Und Gegenstand der ambitioniertesten Experimente. In Paris und London führte man 1881 erfolgreich Live-Opernübertragungen durch. Das Publikumsinteresse war so groß, dass

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