Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)
wurde aber keine Profession: Der frischgebackene Stahlfürst spielte als Amateur bis in die 1920er Jahre hinein auf hohem Niveau im Meisterschafts-Zirkus mit, ohne allerdings noch einmal den Titel zu holen. In die Annalen des Sports schrieb er sich ausgerechnet mit einer für ihn eher ärgerlichen, wenn nicht peinlichen Episode ein.
Bei den US-Amateurmeisterschaften 1916 begegnete Byers einem 14-jährigen Jungen, der mit einer Sondergenehmigung am Erwachsenenturnier teilnehmen durfte, weil er vielen als Golf-Wunderkind galt. Als er Eben M. Byers aus dem Turnier warf, zementierte dieser Robert Tyre Jones Jr. seinen Ruf. In späteren Jahren sollte er schlicht Bobby Jones genannt werden, und ihm verdankt Byers trotz seines spektakulären späteren Schicksals die bisher einzige Darstellung seiner Person in einem Kinofilm.
Es ist die legendäre Szene seines Wettstreits mit Jones bei den Amateurmeisterschaften 1916. Der 2004 gedrehte Golffilm Bobby Jones: A Stroke of Genius stellt sie folgendermaßen dar: Byers geht zunächst mit Eloquenz und Arroganz zur Sache, um am Ende vom pubertierenden Bobby geschlagen zu werden und einen Driver wutentbrannt über die Köpfe des staunenden Publikums in den Wald zu werfen. Zu dem Zeitpunkt ahnte niemand, dass aus dem 14-Jährigen, der gerade einen der berühmtesten Spieler der USA entzaubert hatte, einmal einer der bis heute erfolgreichsten Golfer aller Zeiten werden sollte.
Für Byers war es der Moment, von dem an er nach und nach aus den Sportspalten der Zeitungen verschwand. Mitte der 1920er Jahre bezogen sich die meisten Erwähnungen seiner Person darauf, dass »der ehemalige Champion« einst vom jugendlichen Bobby Jones aus der Meisterschaft geprügelt worden war – eine eigentümliche Form des Nachruhms, die ihn kaum erfreut haben dürfte.
Auch seine Unternehmen veränderten sich, manche fusionierte er mit anderen, andere verkaufte er. Seinem weiterhin ausschweifenden Society-Leben ging Byers bald eher von seinem Wohnsitz auf Long Island im Staat New York aus nach. Nun waren es die Klatschspalten der New Yorker Presse, in denen Byers vornehmlich auftauchte. Es sollte bis 1932 dauern, bis die Öffentlichkeit sich wieder wirklich für ihn interessierte – und zwar weltweit: Byers schrieb seinen Namen weder als Industrieller noch als Society-Star oder Golfer in die Geschichtsbücher ein, sondern aufgrund seines beispiellos grausamen Todes.
Fünf Jahre zuvor besuchte Byers mit Freunden The Game, den traditionellen, seit 1875 veranstalteten Football-Wettstreit zwischen den Universitätsmannschaften Harvard Crimson und Yale Bulldogs. Es muss ein launiger Trip für die alten Herren gewesen sein: Am 19. November 1927 gewann Yale auswärts bei Harvard. Angereist kam man per Zug, es war keine wirklich lange Reise: Rund 230 Kilometer liegen zwischen Cambridge, Massachusetts (Harvard) und New Haven, Connecticut (Yale). Eben M. Byers, dem auch im Alter von 46 Jahren nachgesagt wurde, keinen guten Tropfen auszulassen, verbrachte sie zumindest teilweise liegend. Er fiel aus einem Hochbett in einem Pullman-Schlafabteil und verletzte sich den Arm.
Und das offenbar erheblich. Von da an litt Byers unter Schmerzen, die nicht zurückgehen wollten. Sein Arzt Dr. C. C. Moyar, an den er sich eigentlich gewandt hatte, um eine Elektrotherapie zu bekommen, verschrieb ihm eine Tinktur, mit der er beste Erfahrungen gemacht habe und die zu den eigentümlichsten Medikamentenmarken ihrer Zeit gehörte: Allein zwischen 1925 und 1930 verkaufte sich die von dem Studienabbrecher, selbst ernannten Doktor, Quacksalber und späteren IBM-Manager William John Aloysius Bailey entwickelte Kult-Mixtur Radithor rund 400.000 Mal. Ein Jahr vor Byers Tod sollen die Verkäufe allein in den USA rund 180.000 Flaschen erreicht haben. Bemerkenswert ist das vor allem, weil Radithor außergewöhnlich teuer war. Neben Wasser bestand es aus dem in minimalen Dosen beigemischten, damals teuersten Element der Erde: Radium.
Bereits 1918 hatte William Bailey damit begonnen, mit Radium 226 und 228 versetzte Tinkturen als Heilmittel für so ziemlich jedes Leiden zu vermarkten. Radithor sollte ihn schließlich reich machen, sehr reich. Er verkaufte die strahlende Brühe in kleinen Fläschchen, die jeweils als Tagesdosis gedacht waren und die private Patienten nur kastenweise kaufen konnten – zu einem Preis, der die finanziellen Möglichkeiten eines normalen Arbeiters deutlich überstieg. 30 Dollar verlangte Bailey für 28
Weitere Kostenlose Bücher