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Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition)

Titel: Der viktorianische Vibrator: Törichte bis tödliche Erfindungen aus dem Zeitalter der Technik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Patalong
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konnte sie mit Fug und Recht mit strahlenden Zähnen werben.
    Kosmetik: Die französische Marke Tho-Radia hatte vom Rouge über Cremes und Lippenstifte bis zur radioaktiven Zahnpasta alles im Angebot, was man sich wünschen konnte
    Als nach der deutschen Kapitulation ein Güterzug mit radioaktiven Materialien gefunden wurde, war dies für die Alliierten zuerst ein Schock. Sie vermuteten, die Deutschen hätten kurz vor der Konstruktion einer Atombombe gestanden, obwohl die gefundenen Materialien dafür nicht tauglich gewesen wären. Nach ausgiebigen Verhören, die aus ihrer Perspektive eher verblüffend ausfielen, akzeptierten sie, auf eine Lieferung von Material zur Zahnpasta-Herstellung gestoßen zu sein.
    Nicht, dass die Amerikaner viel weiser gewesen wären. Die Naivität im Umgang mit der Radioaktivität war grenzenlos. Noch in den 1950ern schickten die Amerikaner Soldaten testweise in den Fallout ihrer atomaren Versuchs-Explosionen, um zu sehen, ob ihnen das schaden würde.

    Gleich zweimal hielt die Atomtechnik sogar im Golfsport Einzug. In den 1930ern warf ein Hersteller einen dank Radium-Farbe lustig lumineszierenden Ball auf den Markt. Solche Lacke fielen aber in Ungnade, nachdem die horrenden Leidensgeschichten der sogenannten »Radium-Girls« bekannt geworden waren: Hunderte von Frauen hatten sich erheblich mit Radium verstrahlt, als sie Leuchtzeiger für Uhren mit solchen Farben bemalten. Weil diese ihnen als völlig harmlos verkauft worden waren, leckten viele von ihnen die Pinsel zwischendurch an, um eine feine Spitze zu erhalten. Wie viele der Schätzungen zufolge rund 4.000 Arbeiterinnen an Strahlenschäden starben oder erheblich an Krebs erkrankten, ist nicht bekannt – es waren nicht wenige.
    Fünf Arbeiterinnen klagten, und der Prozess schrieb in zweierlei Hinsicht Geschichte: Zum ersten Mal wurde ein Arbeitgeber verurteilt, weil die von ihm vergebene Arbeit krank machte. Außerdem initiierte der Fall eine ganze Reihe Untersuchungen der Arbeiterinnen, welche dazu beitrugen, die weltweit ersten Grenzwerte für den Strahlenschutz zu definieren. 2011 erfuhren die letzten Überlebenden eine späte Würdigung: In Ottawa, einem der damaligen Fabrikstandorte, wurde ein Denkmal für die im Dienst vergifteten jungen Frauen enthüllt.
    Es ist heute schwer zu verstehen, wieso der Erkenntnisprozess derart langsam verlief. Bereits in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts hatte es Hinweise auf die Gefährlichkeit der neuen Strahlung gegeben. Der Prozess der Radium-Girls dokumentierte etliche Todes-und Krankheitsfälle. Und selbst das wäre kaum nötig gewesen: In einer makabren Inventur der Zeitung New York World 1924 wurden 140 Radioaktivitäts-Forscher gezählt, die bis dahin ihr »Leben für die Wissenschaft« gegeben hatten.
    Trotzdem hielt sich der unbedingte Fortschrittsglaube, das Grundvertrauen in die Beherrschbarkeit aller Dinge bis spät in die 1950er.
    Wie weit diese Naivität ging, lässt sich am besten mit dem Gilbert U-238 Atomic Energy Lab zeigen, das von 1950 bis 1952 zum damals astronomisch hohen Preis von 50 Dollar verkauft wurde: Der Experimentierkasten für Kinder war deshalb so teuer, weil er neben einem Geigerzähler und anderen funktionierenden Messgeräten auch vier Proben radioaktiver Materialien enthielt – inklusive eines Gamma-Strahlers. Für den Bau einer eigenen Bombe reichte das zwar nicht, reichte aber locker aus, um sich selbst etwa durch Verschlucken der Mineralien nachhaltig zu vergiften.
    Auch dem Wahnsinn radioaktiver Kosmetika, Nahrungsmittel und homöopathischer Pseudo-Medikamente setzte letztlich nur die tödliche Beweiskraft spektakulärer menschlicher Tragödien ein Ende.
    Das Gilbert U-238 Atomic Energy Lab (1951) war nicht das einzige radioaktive Spielzeug, aber eines der letzten seiner Art
    DAS SKIAMETER: WIE STARK IST
MEINE RÖNTGENRÖHRE?
    D ie Qualität einer Röntgenröhre, d. h. ihren Härtegrad, beurteilt man gewöhnlich nach der Intensität des Schattens, den die vorgehaltene Hand auf den durch die Röntgenstrahlen zur Fluoreszenz gebrachten Barium-Platin-Cyanür-Schirm wirft; je dunkler der Schatten, desto weicher die Röhre, und umgekehrt. Hiervor ist außerordentlich zu warnen, da die Schädigungen der Haut dauerhaft und groß sind. Man nimmt daher am besten ein Handskelett. Auch mit den Skiametern läßt sich die Penetrationskraft der Röntgenstrahlen bestimmen.

    Der Apparat besteht aus schwarzem Karton; der Teil a ist 25 cm lang (mittlere Sehweite)

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