Der Vogelmann
verrückt machen zu lassen. Maddox hatte recht, er brauchte Ruhe.
Er war in der Küche und goß sich ein Glas Glenmorangie ein, als es an der Tür klopfte.
»Ich bin’s«, rief Veronica durch den Briefkastenschlitz. »Ich kann doch reinkommen? Ich hätte angerufen, aber ich hab’ mein Handy zu Hause gelassen.«
Er öffnete die Tür. Sie trug einen cremefarbenen Hosenanzug, und in ihrem Haar steckte eine Armani-Sonnenbrille; ihre Beine waren von Einkaufstüten aus Chelsea-Boutiquen umstellt. Ihr knallrotes Tigra-Cabrio parkte in der Abendsonne vor dem Gartentor, und Caffery sah, daß sie seine Haustürschlüssel in der Hand hielt, als hätte sie gerade selbst aufsperren wollen. »Hallo, Süßer.« Sie beugte sich vor, um sich küssen zu lassen. Er küßte sie und schmeckte Lippenstift und Mentholspray.
»Mmmm!« Sie hielt sein Handgelenk fest, trat zurück und betrachtete sein gebräuntes Gesicht, die Jeans und die bloßen Füße. Und die Flasche, die zwischen seinen Fingern baumelte. »Du hast dich ausgeruht, nicht wahr?«
»Ich war im Garten.«
»Penderecki beobachten?«
»Du meinst, ich könnte nicht in den Garten gehen, ohne Penderecki zu beobachten?«
»Natürlich kannst du das nicht.« Sie lachte, dann sah sie ihm ins Gesicht. »Ach komm, Jack. Das war ein Scherz. Da.« Sie hob eine Einkaufstüte hoch und reichte sie ihm. »Ich war einkaufen: Garnelen, frischer Dill, frischer Koriander und, oh, der beste Muskateller. Und das…« Sie hielt eine dunkelgrüne Schachtel hoch. »Von Daddy und mir.« Wie ein exotischer Vogel hob sie eines ihrer langen Beine und legte die Schachtel aufs Knie, um sie zu öffnen. Darin lag eine braune, in bedrucktes Seidenpapier eingeschlagene Lederjacke. »Eine der Marken, die wir importieren.«
»Ich habe eine Lederjacke.«
»Oh.« Ihr Lächeln verschwand. »Oh, na schön. Macht nichts.« Sie schloß die Schachtel. Beide schwiegen einen Moment. »Hör zu, ich kann sie zurückbringen.«
»Nein.« Caffery war sofort beschämt. »Tu’s nicht.«
»Ehrlich. Ich kann sie im Lager umtauschen.«
»Nein wirklich. Hier, gib sie mir.«
Typisch Veronica, dachte er, als er mit dem Knie die Tür aufhielt und ihr ins Haus folgte. Sie machte einen umwälzenden, wichtigen Vorschlag, er wies ihn zurück, sie schob die Unterlippe vor, zuckte tapfer mit den Achseln, und sofort fühlte er sich schuldig, nahm eine Unterwerfungshaltung ein und kapitulierte. Wegen ihrer Vergangenheit. Einfach, aber effektiv, Veronica. In den sechs kurzen Monaten, die sie nun zusammen waren, war sein bequemes, verwohntes Haus in etwas Fremdes verwandelt worden, das mit exotischen Pflanzen und arbeitssparenden Geräten vollgestopft war, und seine Schränke quollen über vor Kleidungsstücken, die er nie tragen würde: Designeranzüge, handgenähte Jacketts, Seidenkrawatten, Hosen aus edelstem Stoff. Alles aus der Importfirma ihres Vaters in der Goodge Street.
Während Veronica sich in seiner Küche häuslich einrichtete, die Fenster öffnete, die Espressomaschine einschaltete und in leuchtendgrünen Pfannen Erdnußöl brutzelte, nahm Caffery den Whisky mit auf die Terrasse hinaus.
Der Garten. Nun, dachte er, während er den Glenmorangie eingoß, er war der perfekte Beweis, daß ihre Beziehung auf der Kippe stand. Lange bevor seine Eltern das Haus gekauft hatten, waren die Hibiskusbüsche, die Lupinen und die alte, knorrige Clematis gepflanzt worden. Er ließ sie jeden Sommer wuchern, bis ihre Blätter fast die Fenster verdeckten. Aber Veronica wollte Ordnung schaffen, beschneiden, düngen, in bemalten Tontöpfen auf den Simsen Zitronengras ziehen, Gartenanlagen planen, Kieswege anlegen und Lorbeerbäume pflanzen. Um ihn schließlich, nachdem sie ihn und sein Haus neu verpackt hatte, dazu zu bringen, alles zu verkaufen und hinter sich zu lassen: das kleine Südlondoner Häuschen aus rotem Backstein mit den Strebenfenstern, dem verwilderten Garten und den nahe vorbeidonnernden Zügen, sein Geburtshaus. Sie wollte ihren Job in dem Familienbetrieb aufgeben, bei
ihren Eltern ausziehen und ein perfektes Heim für sie beide schaffen.
Aber das brachte er nicht fertig. Seine Geschichte war zu tief in diesem Stückchen Erde verwurzelt, als daß er wegen einer Laune alles aufgeben könnte. Und nach sechs Monaten Beziehung mit Veronica war er sich seiner Sache sicher: Er liebte sie nicht.
Er beobachtete sie jetzt durchs Fenster, während sie Kartoffeln schrubbte und Butterflöckchen schabte. Ende letzten Jahres,
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