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Der Vogelmann

Der Vogelmann

Titel: Der Vogelmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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    »Ich kann das nicht, davon bekomme ich Kopfschmerzen.«
    »Halt den Mund, halt einfach den Mund, und bleib ruhig liegen.«
    … während er sie bestieg und den Höhepunkt nur dadurch erreichte, daß er fest die Augen schloß und sich mit aller Kraft seinen Phantasien hingab.
    Eines Tages, als er, den mittäglichen Aperitif neben sich, in seinem klimatisierten, doppelt verglasten Büro in Sevenoaks saß, beobachtete er, wie kanadische Gänse auf den künstlichen Teichen landeten, und er sah die Last, die ihn bedrückte, in einem neuen Licht. Vielleicht, dachte er, vielleicht war er unheilbar. Der Gedanke ließ ihn stutzen. War es möglich, fragte er sich, daß jedes Lebewesen sein ganzes Leben lang zu einem bestimmten Tun verurteilt war und die Pflicht hatte, dies mit Anstand und Haltung hinzunehmen? Und war es möglich, daß er hierin, in seiner Besessenheit, seine eigene Lebensaufgabe gefunden hatte?
    Er holte tief Luft und richtete sich auf seinem Stuhl auf. Nun gut. Er würde sie hinnehmen. Er würde mit immerwährenden Einschränkungen und Kompromissen leben.
    Aber er brauchte Hilfe. Er fuhr mit dem Finger über das hohe, milchige Glas mit Pastis. Er müßte sein Bewußtsein betäuben, und zwar mit etwas Besserem als Alkohol.
    Zwei Wochen später fand er das Sicherheitsventil, nach dem er gesucht hatte, als er mit einem ehemaligen Schulkameraden aus Sherborne zu Abend aß, der gerade von einer Feldstudie in den Regenwäldern von Tanjung Puting zurückgekommen war. Nach dem Essen nahm der Freund eine leichte Reisetasche und legte sie vor Harteveld auf den Tisch.
    »Kokain, Toby? Oder etwas, um mehr abzudriften? Hier ist Opium. Süßes, samtiges Opium, einfach köstlich.« Er rieb die Finger aneinander. »Von den Malaysiern geradezu aus dem Land herausgekitzelt. «
    Harteveld zögerte einen Moment, dann ließ er die Augenlider fallen. Er öffnete die Hände, und seine Handflächen zeigten
mit einer Geste der Erleichterung und Dankbarkeit nach oben. Da war es also, wonach er gesucht hatte. Das schöne, ersehnte Ufer des Vergessens.

20. KAPITEL
    M r. Henry. Hier ist Detective Inspector Diamond. Wir haben uns gestern im Dog and Bell getroffen.« Ein knirschendes Geräusch, und die Briefkastenklappe wurde geöffnet, ein Ausweis wurde gezückt, und die bekannte braune Nase tauchte kurz auf. »Ich stecke Ihnen ein paar Fotos durch den Briefkastenschlitz. Ich nehme an, Sie haben sie schon gesehen.« Ein Regen von Dreizehn-auf-neun-Aufnahmen landete auf dem Boden. Gemini stand an die Wand gepreßt und starrte schweigend auf die Gesichter in seinem Flur. »Wir haben bestätigte Aussagen, daß sich mindestens drei dieser Mädchen in Ihrer Gesellschaft befunden haben. Möchten Sie dazu Stellung nehmen?«
    Gemini schwieg. Auf der anderen Seite der Tür hustete Diamond.
    »Vielleicht möchten Sie zu einer Unterhaltung aufs Revier kommen?« Er wartete einen Moment. Gemini gab keinen Mucks von sich, starrte auf den Briefkasten und lauschte auf das Rascheln von dünnem Papier, das gefaltet wurde. Seine Mutter schlief noch in dem Zimmer am Ende des Flurs, er wollte nicht, daß sie aufwachte und gestört wurde.
    »Ich stecke Ihnen auch eine Kopie unseres Durchsuchungsbefehls durch. Laut Gesetz zur Beschaffung von Beweismitteln bin ich verpflichtet, Sie zu fragen, ob Sie mit der Durchsuchung Ihres Wagens, der auf die Nummer C 172 UH registriert ist, einverstanden sind, und gebe Ihnen hiermit die Möglichkeit, mir die Schlüssel zu überreichen.«
    Gemini rutschte an der Wand nach unten und ging in die Hocke.

    »Ich fasse das als ›Nein‹ auf.« Ein Durchschlag flatterte auf den Boden. »Der Durchsuchungsbefehl, Mr. Henry. Wir kommen mit einer Aufstellung der beschlagnahmten Gegenstände zurück, was in diesem Fall heißt, dem Wagen und seinem Inhalt.«
    »Sie werden keinen Wagen mitnehmen.«
    »Hallo?« Ein blaßblaues Auge erschien am Briefkastenschlitz, es blinzelte. »Hallo?«
    »Sie nehmen mir meinen Wagen, was?«
    »Das ist richtig.«
    »Weil Sie meinen, die Mädels war’n in meinem Wagen?«
    »Sie wissen genau, warum wir an Ihnen interessiert sind.« Sogar von hier aus konnte Gemini Diamonds sauren Atem riechen. »Nicht wahr?«
    »Vielleicht«, flüsterte Gemini. »Vielleicht.«
     
    »Es war nicht Gemini«, sagte Caffery. »Das ist unmöglich.«
    Maddox schlug den Mantelkragen hoch, um sich gegen die Windstöße zu schützen und sah ihn mit rotgeränderten Augen an. Sie standen am Fuß eines hohen

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