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Der Vollstrecker

Der Vollstrecker

Titel: Der Vollstrecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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gelang ihr nicht richtig. Sie sah verstört und übernächtigt aus: dunkle Augenringe, gerötete Augen, fleckige Wangen. Sie klappte das Notizbuch zu, in dem sie eifrig gekritzelt hatte, und steckte es weg.
    Â»Du schreibst?«
    Es schien ihr peinlich zu sein. »Ach, das ist nichts. Bloß Kindergeschichten.«
    Hunter setzte sich. »Als ich jung war, habe ich auch immer davon geträumt, eines Tages mal Schriftsteller zu werden.«
    Â»Echt?«
    Â»Ich habe so gerne gelesen, dass es mir die einzig logische Berufswahl erschien.«
    Mollie blickte auf ihren Rucksack hinab, in den sie gerade ihr Buch verstaut hatte. »Ich auch.«
    Â»Wolltest du weg?«
    Â»Es war ein Fehler, nach Los Angeles zu kommen.« Ihre Stimme war fest, aber trotzdem ohne rechte Überzeugung.
    Â»Meinst du, wenn du woanders gewesen wärst, hättest du die Visionen nicht gehabt?«, fragte Hunter.
    Keine Antwort. Kein Blickkontakt.
    Hunter ließ den Moment verstreichen. »Also, ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich habe Hunger«, verkündete er und studierte die Auslage in der Kuchenvitrine. »Ein Stück Käsekuchen wäre jetzt genau das Richtige – möchtest du auch was?«
    Mollie sah ihn unsicher an.
    Â»Na komm, ich esse nicht gern allein. Nur um mir Gesellschaft zu leisten, was meinst du? Ein Stück von dem Schokokuchen da?« Er zeigte auf einen Schokoladenkuchen im obersten Regal der Vitrine.
    Sie zögerte einen Augenblick, dann nickte sie. »Okay.«
    Â»Heiße Schokolade?« Er zeigte auf den leeren Becher, der vor ihr auf dem Tisch stand.
    Â»Ja.«
    Eine Minute später kehrte Hunter mit zwei Stücken Kuchen, einem Kaffee und einer heißen Schokolade zurück. Während Mollie in ihrer Tasse rührte, fiel Hunter auf, dass ihre Fingernägel bis aufs Fleisch abgekaut ­waren.
    Â»Tut mir leid«, murmelte sie und spielte mit ihrem Teelöffel.
    Â»Dir muss nichts leidtun.«
    Â»Die Frau, mit der ich geredet hab – ich hab nicht gewusst, dass sie von der Zeitung ist. Sie hat gesagt, sie arbeitet für Sie. Ich hab ihr nie gesagt, dass ich hellsehen kann oder so was. Das müssen Sie mir glauben.«
    Â»Ich glaube dir, und es ist nicht deine Schuld«, antwortete er in bewusst sorglosem Tonfall, als sei das alles keine große Sache. »Leider ist diese Stadt voll von Leuten, die alles tun würden, um Erfolg zu haben. Mir tut es leid, dass ich dich in so eine Lage gebracht habe. Ich hätte es besser wissen müssen.«
    Hunter zog ein nagelneues Handy aus der Tasche und reichte es Mollie. Er erklärte ihr, dass er seine und Garcias Nummern bereits eingespeichert hatte und dass das Telefon mit dem neuesten GPS-Chip ausgestattet war. Es war die einfachste Art, in Kontakt zu bleiben. Sie versprach, es immer eingeschaltet zu lassen.
    Â»Das Foto in der Zeitung«, meinte sie nach einem kurzen Schweigen. »Ich hab Angst, dass mich vielleicht jemand erkannt haben könnte.«
    Hunter war ihre Angst nicht entgangen. »Und deinem Vater Bescheid sagt?«
    Unbewusst strich sie sich mit der rechten Hand über den linken Arm.
    Â»War er das?«
    Sie sah ihn fragend an.
    Â»Der gebrochene Arm?« Mit einem Kopfnicken deutete Hunter auf ihren Arm.
    Â»Woher wissen Sie das?«
    Â»Einfach nur Beobachtungsgabe.«
    Sie betrachtete die kaum wahrnehmbare Krümmung unterhalb des Ellbogens, wo die Knochen schief zusammengewachsen waren. Als sie sprach, schwang in ihrer Stimme eine Mischung aus Wut und Traurigkeit mit. »Er hat mich fast jeden Tag verprügelt.«
    Hunter hörte zu, während Mollie ihm von den Schlägen erzählte. Von den Knochenbrüchen am Arm und an den Fingern. Von dem überbordenden Hass, den ihr Vater für sie empfand, nur weil sie als Mädchen geboren worden war. Sie erzählte ihm, wie sehr sie ihre Mutter vermisste und dass ihr Vater ihr die Schuld an ihrem Tod gab. Von dem sexuellen Missbrauch sagte sie Hunter nach wie vor kein Wort.
    Das musste sie auch gar nicht.
    Hunter ballte die Hände zu Fäusten, als er an die unzähligen seelischen Wunden dachte, die dieser Mann Mollie zugefügt hatte und die sie ein Leben lang mit sich herumtragen würde.
    Â»Ich weiß, dass du Angst hast, Mollie. Aber wegzulaufen ist keine Lösung.«
    Â»Es gibt aber keine andere«, gab sie hitzig zurück. »Sie haben doch keine Ahnung, wie das ist. Sie wissen

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