Der Vollstrecker
die Lippen, als er die Klinge an ihre Kehle hob. Dann flüsterte er ihr ins Ohr: »Ich bin deine Erlösung, Honey.«
102
H unter saà geduldig am Tisch in dem kleinen, ganz in Weià gehaltenen privaten Besuchszimmer im Staatsgefängnis von Tehachapi. Er hörte das Rasseln von Ketten im Gang drauÃen, dann öffnete sich die Tür. Als Erster trat ein hünenhafter Wärter ein, dessen Muskeln fast den Stoff seiner Uniform sprengten. Die zweite Person, die ihm in den Raum folgte, erschien neben ihm fast wie ein Zwerg. Ein blasser, mittelgroÃer Mann in weiÃer Häftlingskluft.
Dieselbe Kette, mit der die Hände des Mannes vor seinem Körper gefesselt waren, lief einmal um seine Taille herum und dann nach unten zu seinen FuÃknöcheln. Sie lieà ihm gerade so viel Bewegungsspielraum, dass er kleine Trippelschritte machen konnte wie eine Geisha. Sein Haar war kurz geschoren, aber dennoch fiel Hunter auf, dass es an den Schläfen bereits leicht ergraut war. Die Lippen waren nicht mehr ganz so voll wie auf dem Foto im Jahrbuch. Eine schlecht verheilte Narbe zierte seine linke Wange. Seine Augen leuchteten noch immer wie die einer Katze, aber jede Bedrohlichkeit war aus ihnen verschwunden. Der Mann blieb im Türrahmen stehen und sah Hunter stirnrunzelnd an.
»Fuck, Dubal, wer ist denn das Milchbrötchen da?«, wollte er von dem Wärter wissen, der gleichmütig mit den Schultern zuckte, bevor er den Gefangenen hereinführte und ihn auf dem Stuhl gegenüber von seinem Besucher Platz nehmen lieÃ.
»Wenn Sie was brauchen, ich bin drauÃen«, sagte Dubal zu Hunter, bevor die schwere Tür hinter ihm ins Schloss fiel.
Peter Elder saà mit hängenden Schultern da, die Hände im Schoà und das Kinn gesenkt, aber seine Augen beobachteten Hunter wie ein Raubtier seine Beute.
»Mr Wichtigheimer gibt sich die Ehre, was?«, meinte er schlieÃlich leise.
Hunter lehnte sich betont entspannt zurück. »Wieso das?«
Elder lächelte und entblöÃte schlecht gepflegte Zähne. »Weil jetzt keine normale Besuchszeit ist; und das hier ist auch nicht das normale Besuchszimmer. Deswegen bin ich so verschnürt. Normalerweise fesseln sie mir bloà die Hände mit Handschellen hinterm Rücken, aber es ist ein langer Weg vom Hochsicherheitstrakt bis hierher, und wer will hier drinnen schon ein Risiko eingehen? Du musst also irgendein wichtiges Arschloch sein und ganz dringend was von mir wollen, wenn sie uns den Raum hier gegeben haben.«
»Mein Name ist Robert Hunter. Ich bin Detective beim Morddezernat I von Los Angeles.« Hunter zeigte ihm seine Marke.
»Ist mir kackegal, wer du bist oder wo du arbeitest, Bulle. Ich will bloà wissen, was du von mir willst.«
Hunter studierte den Mann mehrere Sekunden lang schweigend. »Ihre Hilfe«, sagte er schlieÃlich ruhig.
Elder lachte schallend und legte dann die Hände vor sich auf den Tisch. »Fuck. Wieso soll ich dir helfen, Bulle?«
Hunter wusste, dass es unter den Insassen eines Gefängnisses eine ungeschriebene Regel gab, die besagte, dass man nie einem Cop helfen sollte. In ihren Augen war das, als würde man zum Feind überlaufen, und wenn die anderen Häftlinge davon erfuhren, konnte das tödliche Folgen haben. Wenn Hunter Peter Elder dazu bringen wollte, ihm zu helfen, dann musste er seine Karten geschickt ausspielen.
»Nicht mir. Ihren Freunden.«
Elders Brauen schossen in die Höhe. »Freunde?« Er lachte leise. »Haben Sie grad was geraucht, Bulle? Ich sitze seit vierzehn Jahren hier drin, und jedes einzelne davon hab ich im Hochsicherheitstrakt verbracht.« Seine Stimme war ohne jede Modulation. »Ich hab null Kontakte nach drauÃen. Ich bin von allem abgeschnitten, die lesen hier sogar meine E-Mails. Die einzigen Freunde , die ich hab, Bulle, sind die in meinem Kopf.«
»Die Freunde, die ich meine, sind von früher. Lange bevor Sie hierhergekommen sind.«
Elder sah auf. Sein Interesse schien geweckt.
»Erinnern Sie sich noch an einen Jungen von der Compton High mit Namen Brett Stewart Nichols?«
Elder lieà sich gegen die Lehne sacken. Das Gespenst eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Einen Moment lang verklärte sich sein Blick, als spiele sich eine Szene aus der fernen Vergangenheit vor seinen Augen ab. Als er sprach, klang seine Stimme auf einmal lebendiger. »Gehtâs hier um
Weitere Kostenlose Bücher