Der Vollstrecker
»Ach, nichts weiter.«
Garcia zog die Brauen zusammen und beschleunigte seine Schritte, um seinen Partner einzuholen, der bereits im Gebäude verschwunden war.
Am Empfang herrschte nicht viel Betrieb. Ein etwas untersetzter Mann mit freundlichen Augen und langen dunklen Haaren schenkte ihnen ein Lächeln voller strahlend weiÃer Zähne.
»Wie kann ich Ihnen weiterhelfen, Gentlemen?«, fragte er überschwänglich.
»Wir sind auf der Suche nach Professor Reed, James Reed.« Hunter lächelte zurück, wenn auch nicht ganz so strahlend.
»Welches Fach lehrt er denn?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Gibt es nicht eine Möglichkeit, das rauszufinden?«
»Aber sicher doch, warten Sie kurz.«
»Informatik mit Schwerpunkt Softwareentwicklung.« Die Antwort kam von einer groÃen hageren Frau mit aschblonden Haaren. Sie stand neben dem Empfangstresen und war in irgendwelche Unterlagen vertieft.
Beide Detectives drehten sich zu ihr um. »Professor Reed lehrt Informatik mit Schwerpunkt Softwareentwicklung«, wiederholte sie. »Aber er ist nicht da.«
»Ach«, meinte Hunter enttäuscht. »Und Sie sind �«
»Dr. Nicola Pate.« Sie bot ihm ihre Hand. »Ich bin die Dekanin des Fachbereichs Informatik. Möchten Sie sich gerne bei uns einschreiben?«
Garcia hustete, und Hunters Lächeln wurde breiter. »Sehen wir so jung aus?«
»Alt genug, würde ich sagen«, warf der Mann hinter dem Tresen ein und kicherte, bevor er Hunter kokett zuzwinkerte, was bei Garcia einen neuerlichen Hustenanfall auslöste.
Dr. Pate lachte leise. »Sie müssen nicht mehr zwanzig sein, um studieren zu dürfen.«
»HeiÃt das, wir sehen älter aus als zwanzig?« Hunters Neckerei brachte ihm einen strengen Blick von Dr. Pate ein, der ihm nahelegte, den Bogen nicht zu überspannen.
»Also, ich gebâs auf«, sagte sie und fuhr sich durch die Haare. »Einschreiben wollen Sie sich nicht bei uns â ich weià immer noch nicht, wer Sie sind.«
Sie entfernten sich ein paar Schritte vom Empfangstresen, und Hunter eröffnete die formale Vorstellungsrunde.
Dr. Pates Miene veränderte sich, als sie ihre Marken sah. »Morddezernat?«
»Kein Grund zur Besorgnis«, beschwichtigte Hunter sie. »Wir möchten James Reed bloà ein paar Fragen stellen.«
»Gibt es ein Problem mit einem seiner Studenten?«
»Nein, ganz und gar nicht. Jemand, den Mr Reed von früher kennt, ist möglicherweise in einen Fall involviert, in dem wir derzeit ermitteln. Er könnte uns helfen, einen besseren Einblick zu gewinnen.«
Pate betrachtete die beiden Detectives eine Zeitlang abwechselnd, dabei entspannte sich ihre besorgte Miene ein wenig.
»Wissen Sie, wo wir ihn finden können?«
Sie neigte bedauernd den Kopf. »Sie kommen leider einen Tag zu spät.«
»Pardon?«
»Es sind nur noch drei Tage bis Weihnachten, DeÂtecÂtive. Es finden keine Vorlesungen und Seminare mehr statt. Professor Reed hatte seine letzte Veranstaltung gestern Nachmittag. Er hat mir gesagt, dass er danach ein paar Tage wegfahren wolle.«
»Hat er Ihnen gesagt, wohin?«
Dr. Pate schüttelte den Kopf. »Reed ist ein ziemlich verschlossener Mensch. Ein hervorragender Professor, aber ein Einzelgänger. Er hat bloà gesagt, dass er einen Tapetenwechsel braucht, und das kann ich sehr gut nachempfinden. Das Leben eines Universitätsprofessors ist mitunter recht anstrengend. Ich glaube, er fährt gerne raus in die Berge, aber meine Hand kann ich dafür nicht ins Feuer legen. Ich wusste nicht mal, dass er verreisen wollte, ich habe es erst gestern erfahren.«
Garcia warf Hunter einen Blick zu.
»Wenn Sie mir Ihre Nummer dalassen, rufe ich Sie gerne an, falls ich von ihm höre«, bot sie an, und diesmal war ihr Lächeln mehr als nur höflich.
112
A ls Garcia vor James Reeds Haus parkte, hatte sich bereits der Abend über L. A. herabgesenkt. Der schwarze Dodge Journey, der tags zuvor in der Einfahrt gestanden hatte, war verschwunden. Das Haus sah verlassen aus, die Vorhänge waren zugezogen, nirgendwo brannte Licht. Sie klingelten lange und ausdauernd, klopften an die Tür und riefen Reeds Namen, aber nach ein paar Minuten mussten sie einsehen, dass sie keine Antwort erhalten würden.
»Abgehauen«, sagte Garcia knapp.
»Das wissen wir nicht.
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