Der Vollstrecker
Härtefall. Er hat die Schule in Rancho Dominguez noch vor der neunten Klasse geschmissen und ist dann für mehrere Jahre von der Bildfläche verschwunden. Kein Job, keine Sozialversicherungsbeiträge, nichts. Zudem ziemlich gewaltbereit. Sieht so aus, als hätte er jede Freundin, die er je hatte, verprügelt. Er wurde mehrfach verhaftet, die Anklage reichte von Körperverletzung bis hin zu Drogenbesitz. Gedealt hat er allerdings nicht. Stattdessen hat er sein Geld mit Cyber-Betrügereien verdient. Er hat falsche Internetfirmen gegründet und den Leuten das Geld aus der Tasche geschwindelt. Angeblich war er in mehrere E-Mail-Scams verwickelt. Aufgrund seines Hintergrunds hat das LAPD seinen Tod als Mord aus Rache eingestuft. Sie glauben, dass Greg schlieÃlich den Falschen betrogen hat.« Hopkins blätterte eine Seite um. »Seltsamerweise scheint er ein guter Vater gewesen zu sein.«
»Er hatte einen Sohn?«, fragte Garcia erstaunt.
Hopkins schüttelte den Kopf. »Eine Tochter, Beth. Sie hat multiple Sklerose und lebt in einem Heim, aber er hat sie viermal die Woche besucht. Ihre Mutter ist abgehauen, sobald sich die ersten Symptome bemerkbar gemacht haben. Ihr gegenwärtiger Aufenthaltsort ist unbekannt.« Er reichte Garcia seinen Bericht.
Hunters Aufmerksamkeit galt nach wie vor den Fotos.
»Eine vorläufige Liste mit allen Namen und Wohnorten liegt auf Ihrem Schreibtisch, oben auf den Fotos«, sagte Hopkins. »Wir haben die Adressen vorliegen, aber noch hatten wir nicht die Zeit zu ermitteln, wo sich diese einundzwanzig in den letzten drei Wochen aufgehalten haben.«
Hunter nickte. »Ich würde sagen, jeder nimmt sich sieben vor, und dann schauen wir mal, wie weit wir in der nächsten Stunde kommen.«
114
M ollie hatte den Tag in besorgter Unruhe verbracht. Irgendwas passte nicht zusammen. Sie hatte einen Flash nach dem anderen, aber sie wurden immer seltsamer und verwirrender. Es sah aus, als würde sich alles verdoppeln, als gäbe es zwei Killer, zwei verschiedene Gruppen von Opfern. Sie konnte sich auf nichts mehr einen Reim machen. Und sie hatte noch nie im Leben so viel Angst gehabt.
Sie war mitten in der Nacht aufgewacht und hatte auf einmal ein Gefühl drückender Enge verspürt. Ihr Motelzimmer war groÃ, aber die Luft darin kam ihr abgestanden und stickig vor. Doch als sie das Fenster aufriss und sich die kalte, feuchte Winterluft ins Gesicht wehen lieÃ, wurde es nicht besser. Stattdessen überkam sie auf einmal ein undefinierbares Unbehagen, das ihr die Haare im Nacken zu Berge stehen lieÃ. Als würde sie beobachtet. Sie lehnte sich, so weit sie konnte, aus dem Fenster und spähte zu beiden Seiten die StraÃe entlang. Sie war menschenleer.
Mollie kroch zurück ins Bett, aber ihr Verstand spielte ihr weiterhin Streiche und hielt sie den Rest der Nacht wach. Um sechs Uhr dreiundfünfzig ging die Sonne auf, und erst jetzt konnte sich Mollie endlich ein wenig entspannen. Nachts war es immer schlimmer. Aus irgendeinem Grund waren die Visionen da heftiger â realer â und schmerzhafter.
Erst am späten Nachmittag verlieà sie ihr Zimmer. Ihr Magen knurrte. Ein paar Häuser weiter entdeckte Mollie einen Sandwichladen, der auch Kuchen, SüÃigkeiten und Kaffee im Angebot hatte. Sie bestellte sich ein Sandwich mit Salami und Käse, ein Stück Apple Pie mit Vanilleeis und eine heiÃe Schokolade, bevor sie sich einen Tisch in der Nähe des Fensters suchte.
Hunter hatte ihr gesagt, dass er sie vielleicht am Abend in eine neue Unterkunft bringen würde â zu einem Bekannten, hatte er gesagt. Aber er hatte bis jetzt noch nicht angerufen. Sie aà ihren Pie und sah aus dem Fenster. Auf der anderen StraÃenseite stand ein kleiner, untersetzter Mann im Weihnachtsmannkostüm und schwenkte eine groÃe goldene Glocke, um Geld für eine Wohltätigkeitsorganisation zu sammeln. Mollie sah ihm mindestens fünf Minuten lang zu. Kein einziger Passant spendete etwas.
»Heutzutage scheint sich niemand mehr zu kümmern, stimmtâs?«, meinte unvermittelt der Mann am Nachbartisch.
»Tja, irgendwie nicht«, sagte sie und schüttelte traurig den Kopf.
Der Mann trug einen langen schwarzen Mantel und einen dunklen altmodischen Hut wie ein Gangster. »Es ist schade, dass die Leute kein Herz mehr für andere haben«, sagte er, bevor er sich mit der Zunge über die
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