Der Vollstrecker
halten wir dich nicht auf, okay?«
Sie zögerte gerade lange genug, um Hunter die Möglichkeit zum Einhaken zu geben. »Ich hatte keine Ahnung, ob du dich je wieder bei uns melden würdest. Du bist gegangen, bevor einer der Officer die Gelegenheit hatte, dich nach deinen Kontaktdaten zu fragen. Du hast uns mit leeren Händen stehen lassen, also musste ich dem einzigen Hinweis nachgehen, den wir von dir hatten â deinem Akzent. Wir haben nach dir gesucht. Dein Name ist in der Vermisstenkartei aufgetaucht.«
Sie wurde starr.
»Dein Vater weià nichts davon.«
Vorhin, als sie ihnen von ihren streng religiösen Eltern erzählt hatte, hatte sie sich hauptsächlich auf ihre Mutter konzentriert und ihren Vater kaum erwähnt. Und wenn einmal die Sprache auf ihn gekommen war, hatte sich ihr Körper unwillkürlich angespannt und sie war nervös auf ihrem Stuhl hin und her gerutscht. Hunter hatte sofort gemerkt, wie sehr sie sich vor ihm fürchtete.
»Und wir werden ihm auch nichts sagen«, beteuerte er.
Ihr Blick hielt Hunters noch eine Weile, bis er schlieÃlich zu Garcia huschte. Der nickte und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Ihre Haltung entspannte sich ein klein wenig.
»Ich versichere dir, Mollie, wir wollten dir nicht nachspionieren.« Hunter hielt inne. »Und wir könnten deine Hilfe wirklich gut gebrauchen.«
Der Mann vor ihr hatte etwas Besänftigendes, Vertrauen EinflöÃendes an sich. Der spannungsgeladene Moment verstrich, und sie setzte sich wieder hin. »Weshalb ich Sie heute angerufen hab â¦Â«
»Hattest du eine neue Vision?«, fragte Garcia.
»Nein. Keine Vision, einen Flash.«
Klick, klick, klick . Noch drei Fotos.
»Was meinst du damit, einen Flash?«
»Manchmal sehe ich ganz kurz Bilder aus einer meiner früheren Visionen. Irgendwas, was ich vorher nicht gesehen hab. Sie dauern nur ein paar Sekunden.«
»Solche Bilder nennt man residual«, sagte Hunter, ohne weiter ins Detail zu gehen.
Mollie sah ihn neugierig an.
»Er liest viel«, erklärte Garcia. »Und worum ging es in diesem Flash?«
»Um etwas, was ich gesagt hab.«
»Was du zu wem gesagt hast?« Die Frage kam von Hunter.
»Zu dem Priester. Kurz bevor ich ihn umgebracht habe.«
Klick, klick, klick .
»Aber du hast doch gesagt, dass die Vision über den Priester ohne Ton war«, sagte Garcia.
»War sie ja auch. Die Vision selber.«
»Aber der Flash nicht«, ergänzte Hunter.
Mollie nickte und stieà einen müden Seufzer aus.
»Und was hast du gesagt?«
Ein tiefer Atemzug.
»Sie werden alle sterben.«
68
Fünfzehn Tage vor dem ersten Mord
E r starrte sein Gesicht im Spiegel an und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen, rissigen Lippen. Vier Jahre war es her, aber er sah aus, als wäre er in der Zeit um mindestens zehn Jahre gealtert. Scharfe Linien hatten sich in sein Gesicht gegraben, und die Augen schienen noch tiefer in ihre Höhlen gesunken zu sein. Aber jeder, der John Woods kannte, wusste, dass die Falten keine Zeichen seines Alters waren, sondern eines tiefen Kummers.
Nach dem Tod seiner Frau war er aus Huntingdon County weggezogen, nach York in South Central Pennsylvania. Er konnte nicht länger in Huntingdon bleiben. Alles an dem Ort erinnerte ihn an seine Tochter, deren dämonische Träume sein Leben vergiftet hatten wie ein Fluch.
Er klatschte sich eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht und kämmte sich das, was noch von seinen schwarzen Haaren übrig war, hinter die Ohren. An diesem Abend fand in der mennonitischen Gemeinde von York und der angegliederten Schule eine vorweihnachtliche Wohltätigkeitsveranstaltung statt. Ãber dreihundert Schüler und Lehrer wurden erwartet.
John arbeitete als Hausmeister an der Schule und half Vater Laurence bei allen Tätigkeiten, die anfielen â ob es Klempnerarbeiten waren oder die Instandhaltung der Beete oder das Anbringen von Partydekoration. Die Feier sollte erst in einer Stunde beginnen, aber einige Eltern würden bereits früher kommen, weil sie Backwerk für den riesigen Kuchenbasar brachten, der in der Turnhalle stattfinden sollte. Johns Aufgabe war es, während der Feier für Sauberkeit auf den Toiletten zu sorgen.
Den Blick immer noch auf sein Spiegelbild gerichtet, bekreuzigte er sich und sprach ein rasches Gebet, bevor er die kleine Wohnung verlieÃ, die er nur
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